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Kerker und Ketten

Kerker und Ketten

Titel: Kerker und Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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Kunde von dem Vorkommnis irgendwie nach Madrid gelangt, dann können wir uns gleich wieder auf eine neue königliche Inspektion gefaßt machen. Dabei hatten wir die letzte erst vor einem Jahr.«
    »Si, Don Hernando, ich werde Hamid holen lassen, damit Ihr ihn vernehmen könnt.« »Holen lassen? Was heißt das? Und was heißt vernehmen? Ich wünsche, daß Ihr selbst mit meiner Kutsche zu ihm fahrt und ihn höflich bittet, doch für eine Stunde mein Gast zu sein. Ich sage Euch, laßt es ja nicht am nötigen Respekt fehlen! Wenn sich der ehrenwerte Kaufmann beklagt, dann könnt Ihr von morgen ab meine Schuhe putzen und im Gesinderaum schlafen!« Der Sekretär verbeugte sich stumm, hütete sich aber, seinen Mißmut über diese Anweisung offen zu zeigen.
    Als er das Zimmer verlassen hatte, ließ sich der Gouverneur kopfschüttelnd in einen Stuhl fallen. Mit welcherlei Dingen doch der Friede seines Lebens manchmal gestört werden konnte! Aber auf einmal mußte er lachen. Er stellte sich seine tapferen Spanier unter dem stinkenden Regen aus den Kübeln vor.
    »Brrr«, schüttelte er sich, als habe er selbst etwas davon abbekommen.
    Es vergingen keine zwanzig Minuten, und der Sekretär kam mit Hamid zurück.
    Der Gouverneur erhob sich und begrüßte seinen »Geschäftsfreund«.
    »Salam«, sagte Hamid, »Allah möge deine Arbeit segnen und deinen Schlaf behüten.«
    Diesmal behielt Don Hernando den Sekretär im Zimmer und ließ sich des Kaufmanns Rede übersetzen.
    »Sagt ihm, daß sein Allah mich diesmal ziemlich unsanft aus dem Schlaf gerissen hat, und erzählt ihm die Geschichte.«
    Der Sekretär erwiderte, daß Hamid alle Einzelheiten des Ausbruchs bereits kenne. Er wolle überdies dem Gouverneur seinen Dank dafür abstatten, daß dessen Soldaten sein Haus unter Bewachung hielten, damit der pfeifende Hekim keine Gelegenheit finde, Rache zu nehmen. »Fragt ihn, weshalb ich den Mann damals einsperren ließ.« Hamid berichtete mit sprudelnden Worten.
    Langsam dämmerte es im Gehirn des Gouverneurs, während der Dolmetscher übersetzte. »Ah«, sagte er, »ich erinnere mich. Fragt ihn, aus welchem Grund der Mann überhaupt die fünftausend Piaster haben wollte. War er nur ein einfacher Dieb?«, Hamid bestätigte dies.
    »Das klingt ein wenig unwahrscheinlich. Diebe pflegen im allgemeinen anders vorzugehen. Wenn er ein Arzt ist, dann gehört er zu den gebildeten Leuten, wogegen allerdings wiederum die Art und Weise spricht, in der er sich befreit hat.«
    Hamid erwähnte kein Wort von dem Kauf des Säbels und von seiner eigenen Untreue. Er wußte so geschickt zu erzählen, daß er das Eigentliche wortreich überspielen konnte. Praktisch war der Gouverneur nach der Vernehmung nicht klüger als vorher. Immerhin wußte er jetzt, daß der Ausbrecher eingesperrt war, weil er seinen, Don Hernandos, Freund belästigt hatte. Don Hernando aber mußte seine Freunde schützen, wenn er weiterhin gute Geschäfte machen wollte. »Gut«, sagte er, »ich werde allen Offizieren und Mannschaften der Garnison Anweisung geben, daß sie den Schuft wiederbringen sollen, tot oder lebendig, damit mein Freund Hamid nicht weitere Unbill durch ihn erleidet. Allerdings nehme ich an, daß er die Stadt schon längst verlassen hat.« Hamid ging.
    »Was haltet Ihr von der Sache?« fragte der Gouverneur seinen Sekretär. Der zuckte die Schultern.
    »Wenn Ihr mir gestattet, die Wahrheit zu sagen, Don Hernando, so glaube ich, daß Hamid mit den Tatsachen sehr geschickt hinterm Berg gehalten hat.«
    Don Hernando nickte gedankenvoll. Er befürchtete vor allem, daß aus der ganzen Angelegenheit wirklich noch ein Skandal werden könnte; denn das Unglück hatte es gewollt, daß in diesem Fall ein Mensch in das »Staatsgefängnis« eingeliefert worden war, der erstens keine Angst zu kennen schien und zweitens mit Verstand begabt war.
    »Weshalb ist mir der Mann nicht zur Vernehmung vorgeführt worden, wenn er es doch verlangt hat?«
    »Es wäre das erstemal in Eurer Amtszeit gewesen, Don Hernando, daß einem solchen Verlangen stattgegeben worden wäre.«
    »Werdet nicht frech, amigo. Die Wächter mußten doch merken, daß sie es nicht mit einem einfachen Landstreicher zu tun hatten.«
    »Es ist bei ihnen Gewohnheit, stur über jeden Wunsch der Gefangenen hinwegzugehen.« »Natürlich. Ist im allgemeinen auch nicht mehr als recht und billig. Aber in diesem Fall — in diesem ganz besonderen Fall--maldito, hoffentlich bekommen wir den Burschen bald

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