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Kerrion 3 - Traumwelt

Kerrion 3 - Traumwelt

Titel: Kerrion 3 - Traumwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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gerichtet.
    »Faß sie nicht an«, rief Ina, die zitterte und sich nicht von der Stelle rührte.
    »Sie ist tot«, sagte Hans, »aber wie ist sie hier hereingekommen?«
    Die Taube war äußerlich unverletzt. Er holte aus der Küche eine Kehrichtschaufel - die Küche war der am vollständigsten ausgerüstete Raum - und schob sie unter die Taube. Sie war so leicht, als bestehe sie nur aus dem Federkleid. Ina hatte sich herumgedreht. Sie schwieg. Sie wandte alle Kraft darauf, sich zu beruhigen.
    »Verzeih bitte«, sagte sie, als sie ihn schließlich mit einem fremden Gesicht ansah, aber immer noch, als wolle sie gleich in Tränen ausbrechen, »ich habe vergessen, dir zu sagen, daß ich eine furchtbare Angst vor Tauben habe.«
    Hans machte kein Federlesen. Sie verließen sofort die Wohnung und fuhren in die Pension. Das war ohnehin bequemer.
    Es war bequem, und es war darüber hinaus sogar geboten, die neue Wohnung für diese Nacht noch einmal zu verlassen, denn Hans hatte an vieles gedacht, aber nicht an Handtücher. Man hätte sich nach dem Baden einfach von der Luft trocknen lassen müssen, was in der Hitze auch gar nicht so unangenehm gewesen wäre wie im Winter. Es kam hinzu, daß Ina ohnehin die Matratze des Bettes nicht hätte sehen dürfen. Weder den Taubendreck, noch, was sich da sonst von gelblichen Rändern umgeben verfärbt hatte, hätte ein später darüber gelegtes Laken vergessen lassen. Ina empfand da wie die meisten Leute, sie war nur noch ein bißchen empfindlicher. Wenn die Gäste wüßten, wie es in der Küche des teuren Restaurants, in dem sie sich niedergelassen haben, zugeht, würden sie keinen Löffel Suppe essen, aber ohne dies Wissen schmausen sie vergnügt.
    Hans beruhigte sich mit diesen Überlegungen gern, aber voreilig. War nicht doch etwas Nachhaltigeres in Ina ausgelöst worden, als sie die tote Taube erblickte? Ihre Freude und ihre verliebte Neugier - war sie nicht in heiterster Stimmung gewesen? - hatten sie empfangsbereit gemacht für alles Neue, was er ihr bot. Selbst das Treppenhaus hatte sie noch außergewöhnlich gefunden, diesen steilen Turm, in dem jeder Schritt einen Lärm machte, als habe man beim Kegeln alle Neune getroffen. Sie hatte ihr Herz weit geöffnet, leider eben auch für Bilder oder vielmehr ein Bild, das sie keinesfalls hätte sehen dürfen. Es war schließlich das Schlafzimmer, in das sie, in schönster verliebter Erwartung, so sagte sich Hans, der sich berechtigt fühlte, seine und ihre Empfindungen gleichzuset--zen, eingetreten war und das sie, schon in der Vorstellung, was sich gleich dort ereignen würde, gleichsam besetzt vorfand: von der Taube, die es nach allen Höhen und Breiten um sich spritzend in Besitz genommen und sich dann in dieser unheimlichen Entspanntheit, in der Haltung weiblicher Hingegebenheit als Gattin und brütende Mutter, tot darin niedergelassen hatte. Daß Hans versprach, die Ukrainer würden morgen schon das Schlafzimmer aufs neue weißein, schon morgen würde der Ghanese das beschmutzte Bett wieder in den Keller tragen, schuf nur vordergründige Ruhe. Es blieb die Besorgnis, daß da irgendwo ein Loch sein müsse, durch das die Taube sich hindurchgezwängt habe und das weiteren Tauben Zugang zu diesem Schlafzimmer gewähre - »Stell dir vor, ich komme nackt aus dem Bad, und im Schlafzimmer flattert eine Taube.«
    In dieser Vermutung lag bereits ein schriller Ton, mit kalten Sinnen war sie nicht gesprochen. Und nüchterne Überlegungen - Hans kreiste wie ein zweiter Dr. Watson die Möglichkeiten der Taube ein, in dieses Schlafzimmer vorzustoßen - konnten denn auch kaum Gehör linden. Die Fenster der ganzen Wohnung hatten weit offen gestanden, um den Farb-geruch abziehen zu lassen. Da sei die Taube hineingeflogen und habe unter dem Bett gesessen, wie sie auf der Straße häufig unter den geparkten Autos herumgepickt hatte -, als Souad wegen der schlagenden Fensterflügel während des Gewitters die Wohnung betrat und ihren Fluchtweg verschloß. Als die Taube erkannte, daß sie gefangen war, habe sie die Nerven verloren. Das brauchte er Ina gar nicht erst auszumalen, das sah sie selber so eindringlich vor sich, daß sie die Hände vor die Augen hob. Aus der ekelerregenden wurde die bemitleidenswerte Taube. Ihr verrücktes Flattern und ihr Knallen gegen Decken und Wände, ihre wilden Darmentleerungen, um überhaupt noch irgend etwas zu tun, und ihr Niederhocken und Sterben durchlitt sie wie eine Schwester.
    »Es lebt etwas von dieser Taube in

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