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Kerrion 3 - Traumwelt

Kerrion 3 - Traumwelt

Titel: Kerrion 3 - Traumwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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entzogenen Vorräten, die eines Tages unversehrt ans Licht gehoben werden mochten. Die Stadt war ausgeräumt, wie es im Deutsch der Gynäkologen bei gewissen radikalen Operationen heißt. Das war es vielleicht, was die Leute ahnten, wenn sie, ohne große Kenntnis, die Stadt verwarfen, und was auch Hans auf dem Fahrrad auf jeden Fall in der Innenstadt empfand, obwohl er weit entfernt davon war, es aussprechen zu können. Auf dem Baseler Platz trat dies Ausgesogen- und Ausgeräumtsein sogar in besonderem Maße ans Licht.
    Aber jetzt hatten der kalte Mond und die noch kälteren Bogenlampen das Haus, den Hof und den Platz unversehens angeglüht. Es war, als knacke es leise in den Gemäuern, und das war keineswegs eine harmlose Empfindung. Behaglich und gastlich war einem bei diesem Knacken nicht zumute. Das blies sich auf, das Haus schlug gleichsam die Augen auf, und das ist bei einem Totgeglaubten ein erschreckender Anblick.
    *
    Am nächsten Abend sollte Ina mit ihrer Mutter am Flughafen eintreffen. Frau von Klein hatte nur zwei Stunden Aufenthalt, dann würde sie nach Hamburg weiterfliegen. Es war gut zu wissen, daß sie bei der ersten Wohnungsbesichtigung nicht dabei sein würde. Hans vertraute Ina, aber er fühlte sich der Lage nicht gewachsen, ihr seine Wohnung vorzuführen und sie dafür zu gewinnen, wenn gleichzeitig die mit Gewißheit zu erwartenden galligen Kommentare seiner Schwiegermutter zu bekämpfen wären. Frau von Klein fand grundsätzlich eine einzige Art von Haus bewohnbar: den in den fünfziger Jahren entwickelten Walmdach-Bungalow, wie er die nach dem Krieg entstandenen Villenviertel zierte. Ob sehr groß oder weniger groß war gar nicht so wichtig. Ein Schloß lehnte Frau von Klein jedenfalls grundsätzlich ab. Das schuf zuviel Abhängigkeit, in einem Schloß war man auf andere Leute angewiesen, die man nicht einfach wegschicken konnte. Treppen waren gleichfalls ein Graus. Ein Haus, in dem sie leben sollte, mußte vollständig ebenerdig sein, damit man nicht außer Atem geriet, wenn man nur ins Schlafzimmer ging. Treppen bedeuteten zwangsläufig, daß der Gegenstand, den man gerade eben brauchte, im anderen Stockwerk war. Es sollte hübsch konservativ und landhausmäßig aussehen bei ihr - dafür stand das Walmdach -, aber im übrigen praktisch und modern sein und sich keinesfalls von den Häusern ihrer Freunde unterscheiden. Aber würden die Treppen am Baseler Platz wirklich verhindern, daß sie nicht doch einmal die Anstrengung unternahm, sich dort hinaufzubemühen?
    Mittags rief Souad im Büro an. Er war nicht allein. Hans hörte im Hintergrund Barbara kichern.
    »Wir haben das Bett hinaufgeschafft«, sagte er mit seiner hellen Heiserkeit, und Barbara rief im Hintergrund: »Die Turteltäubchen! Ruckedigu! Ruckedigu!«
    Hans war bei der Aussicht, Ina heute abend wieder bei sich zu haben, so aufgeregt, daß er die Indiskretion der ganzen Situation kaum empfand und sogar für die Familiarität, die in dieser Unterstützung lag und die er ebenso gut hätte Di-stanzlosigkeit nennen können, dankbar war. Das Wetter übernahm gleichfalls einen Part an diesem spannungsvollen Tag. Der Morgen war, überraschend genug nach der klaren Mondnacht, drückend und grau. Es wurde nach Souads Anruf immer dunkler, als solle es geradezu Nacht werden. Im Büro gingen überall die Neonröhren an, und dann tat es einen Donnerschlag, daß Hans meinte, die Bleistifte auf seinem Schreibtisch müßten in die Luft springen. Vor den Fenstern des zwanzigsten Stocks eröffnete sich ein großartiges Kriegspanorama. Die Blitze stürzten wie sich verzweigende und mäan-drierende Flüsse vom Himmel. Die Stadt verwandelte sich unter den gewaltigen Donnerschlägen in eine Pauke, auf die gnadenlos eingeschlagen wurde. Dazu knatterte und zischte es, als zerreiße das Trommelfell schließlich unter den Schlägen, und dann ergoß sich der Regen in Sturmfluten. Schwall und Rauch und Klebrigkeit der letzten Tage wurden von der Stadt abgewaschen, als sei sie in Souads Waschanlage geschoben worden. Das Wasser spritzte und sprudelte und quoll aus den verstopften Gullys, es kam nicht nur vom Himmel herab, sondern stieg auch aus der Erde auf. Im übrigen verhielt sich der Himmel wie ein cholerischer Mensch, der in der Wut gleichsam erblindet und alles kurz und klein schlägt, um alsbald erschöpft in sich zusammenzufallen. Auf den Straßen standen noch die Seen, da lächelte es von oben schon wieder hellblau herab. Zu einer wirklichen

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