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Kerrion 3 - Traumwelt

Kerrion 3 - Traumwelt

Titel: Kerrion 3 - Traumwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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sie sich eines heftigen Antrags von Hans zu erwehren. Er hätte aber gar nicht zurückweichen können, denn sein Unterarm war in ihrem festen Knochengriff. Souad, der inzwischen holländisch parlierende Vetter und Barbara, die sich mit langen Fingernägeln gründlich den Kopf kratzte - sie mußte sich dabei durch die Haarfluten selbst in deren zusammengesunkenem Zustand hindurchkämpfen - und jetzt englisch sprach, vermieden es, sich anzusehen und musterten statt dessen mit ihren durch die Gespräche nicht beanspruchten Augen Hans und Frau Mahmouni. Wie diese Gruppe, jeder davon in sein jeweiliges Gespräch vertieft, in zwangloser Haltung zusammensaß, aufeinander bezogen, aber nicht miteinander beschäftigt, erhielt der kunsthistorische Terminus der »Sacra conversazione«, so flog es Hans durch den Sinn, eine neue Aktualität. Aber fiel diese Beobachtung nicht eigentlich in den Themenkreis von Inas notorischer Magisterarbeit?
    »Warum haben Sie denn dann geheiratet?« fragte Hans, der sich auch an ein vorzeitig gezeugtes Kind erinnerte. Niemals hätte er diese Frage gestellt, wenn die levantinische Ma-trone - dies Muster- und Staatsexemplar einer levantinischen Matrone! - nicht das in ihrem Munde erschreckende Wort Sex ausgesprochen hätte. Man traute ihr zu, alle Abgründe kairi-nischer Kinderbordelle zu kennen, aber niemals etwas aus dieser Welt kraß beim Namen zu nennen, sondern sich stets routinierter, dem Wissenden genug sagender Andeutungen zu bedienen. Es war tatsächlich etwas Grelles in ihr ausdrucksvolles Gesicht getreten, als sie vom Sex sprach, das X im Sex zog sich über ihr ganzes Gesicht und zerrte es nach den vier Enden. Auf Hans’ Frage hatte sie offenbar gewartet. Sie war auf sie vorbereitet, beinahe ein bißchen zu gut, die Antwort kam ein wenig zu flink, und die Miene änderte sich allzu beflissen in sorglose Lässigkeit.
    »Was wollen Sie - ich wollte Gesellschaft haben. Es genügt nicht, nur auf den geschäftlichen Erfolg zu achten, der war bei mir durch die Vorbereitung meines Vaters ohnehin eine Selbstverständlichkeit. Aber man will auch manchmal abends ins Kino gehen, an Sommerabenden draußen etwas trinken. Ich bin bereit, dafür zu zahlen, zahlen ist selbstverständlich, und ich habe auch immer dafür gezahlt.«
    Hans war dabei, eine Schachtel Zigaretten aufzurauchen. Eine einzige Zigarette hatte er sich von dem Äthiopier erbeten; der Mann hatte ihm aber die ganze Schachtel mit einer Geste dagelassen, als reiche er ihm ein Stück Brot. Jetzt war er schon bei der zehnten, wenngleich er sie nicht bis zum Ende glimmen ließ. Das Rauchen tat ihm unerhört gut. In ihm war eine kleine beunruhigende Leere gewesen, die er kaum wahrnahm und auch nicht mit seiner Zigarettenaskese in Verbindung brachte, doch schon der erste Zug bewies, daß es genau der Tabakrauch war, der als einziges diesen Hohlraum zu füllen und die Beunruhigung zu dämpfen vermochte. Es war ihm jetzt gleichgültig, was er sich vorgenommen hatte. Der Mangel, den er empfand, war zu offensichtlich, um unausgeführt zu bleiben.
    »Rauchen Sie«, sagte Frau Mahmouni, die ihn aufmerksam betrachtete, »alte Männer, mit denen ich zu tun hatte, haben stark geraucht - nur einer nicht, Tesfagiorgis.« Sie zeigte auf den Äthiopier, der wahrscheinlich überhaupt keine Bedürfnisse hatte, jedenfalls solange er an diesem fernen Erdenwinkel diesen Stehimbiß betrieb.
    An diesem Abend fand noch ein Wechsel in der Hauptkonstellation statt. Frau Mahmouni nahm Barbara zur Seite, im Widerspruch zu ihrem nachdrücklich geäußerten geschäftlichen Desinteresse an der Weiblichkeit. Es sah geradezu aus, als habe sie ihr einen Vorschlag zu machen. Souad nutzte die Zeit, sich statt dessen den Vetter vorzuknöpfen. Ihm ging Barbaras Wort im Kopf herum, sie werde zwischen dem Vetter und ihm, Souad, wie von Mühlsteinen zermahlen. Besser war es vielleicht, so mochte er denken, sie nicht zu zermahlen, sondern zu zerquetschen, indem er sich mit dem Vetter zusammentat.
    »Das ist nicht meine Stadt«, sagte der Vetter in quengelndem Ton, und Souad entgegnete mit wehmütiger Treuherzigkeit, während die braunen Tieraugen - man sah fast nichts Weißes bei ihnen - den mageren Vetter festnagelten: »Seien wir doch mal ganz ehrlich. Meinst du, das ist meine Stadt? Das ist auch nicht meine Stadt.«
    Als Hans ins Haus ging, sah Souad von dem Vetter auf, in dessen Ohr er geradezu hineingekrochen war, und sagte in muffigem Beschwerdeton: »Warum habt ihr mir

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