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Kerrion 3 - Traumwelt

Kerrion 3 - Traumwelt

Titel: Kerrion 3 - Traumwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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erheblich stärker, weil der Fluß ausgebaggert und für die großen Schlepper schiffbar gemacht sei. Wer heute in ihn hineinsteige, komme wahrscheinlich weit entfernt von seinen Kleidern wieder heraus. Dennoch werde sich das ganze Verhältnis der Bewohner zu ihrer Stadt ändern, wenn sie wieder im Fluß schwämmen.
    »Du gehst doch niemals schwimmen, nicht am Meer und nicht im Schwimmbecken«, sagte Britta. Wittekind gab das mit der bekannt gelassenen Miene zu, richtig, er selbst schwimme nie, wisse auch nicht, ob er es noch könne, denn er sei das letzte Mal in tiefem Wasser gewesen, als man ihn in der Schule dazu gezwungen habe. Als Hans allein dagewesen war, hatte Britta gesammelt und andächtig gelauscht, so sah das doch aus, w r enn ihr Freund sprach und nachgerade dozierte. Sie hatte Hans das Gefühl vermittelt, daß sie selbst am meisten genieße, an diesem Born der Weisheit zu sitzen, aber heute gab sie Widerwort und stichelte gegen ihn, als ob sie eine Störung seiner Gelassenheit versuche, aussichtslos freilich, die ironische Hausjacke verbarg in Wahrheit ein Kettenhemd, das undurchdringlich war. Hans meinte zu sehen, daß es Inas Anwesenheit war, was Britta veränderte. Sie wollte sich in der Gegenwart einer anderen Frau ganz offensichtlich nicht nur passiv ergeben darstellen.
    Die Arbeit gegenwärtig sei sehr intensiv, sagte sie mit gro--ßem Ernst. Sie arbeite gegenwärtig mit Alexander Rutz - den Namen mußte man offenbar kennen -, und das sei eine Chance, aber auch eine harte Herausforderung. Sie habe keine große Rolle in diesem Stück, sie wolle gegenwärtig ganz bewußt keine große Rolle, aber Rutz arbeite aus ihrer kleinen Partie eine Miniatur heraus, die in ihrer Präzision beinahe zum Zentrum des Abends werde. Britta beschrieb die Rolle einer Frau, die von ihrem Liebhaber verlassen worden sei und nun vor Schmerz fürchten müsse, wahnsinnig zu werden. Wie aber lege Rutz dieses Wahnsinnigwerden an? Aus dem Text gehe so gut wie nichts hervor. Es schwinge mit, beim ersten Lesen aber entgehe einem der Wahnsinn, sie habe zunächst überhaupt nichts davon bemerkt.
    »Die Frau hat verstanden, daß der einzige Mann, den sie je geliebt und dem sie fest vertraut hat, sie verrät und schon über alle Berge ist« - das sei die Situation. Und nun diese Delika-tesse: In dieser Lage werde sie von einem Passanten nach dem Weg zum Bahnhof gefragt.
    »Sie begreift: Diese Frage ist der ihr vom Schicksal zugeworfene Rettungsring. Diese Frage stammt aus einer Welt, in der man ihren Kummer und den erlittenen Verrat nicht kennt, in der es diese beiden sie bedrängenden Mächte gar nicht gibt. Während sie auf diese Frage antwortet, tritt sie, für die Dauer der Antwort, aus ihrer eigenen schrecklichen Realität hinaus und begibt sich in eine Wirklichkeit ohne Schmerz, in eine Sphäre radikaler Sachlichkeit, in der niemand leidet, in der es einzig um die Lösung der praktischen Frage geht, wie man am schnellsten zum Bahnhof kommt.« So habe Rutz ihr das in einem Privatissimum erklärt. Alle Kollegen hätten gewartet und gestaunt, was es da zu sprechen und zu arbeiten gebe für diese knappe Szene.
    »Spiel sie alle an die Wand«, habe Rutz ihr zugeflüstert. Das sei allerdings seine Methode, dies Alle-gegeneinander-Aufhet-zen, um die berühmte »Rutz-Hysterie« zu erzeugen, die tatsächlich etwas Einzigartiges sei, wenn man bereit war, sich darauf einzulassen. Und so hatte die Arbeit heute ausgesehen: In ihren betäubenden Schmerz, der wie ein Messer in ihrer Brust sitzt, mitten hinein fragt der bewußte Passant. Und nun beginnt sie, mit einer fanatischen Pedanterie den Weg zu erklären, zeigt den Weg mit einer besessenen Exaktheit, so daß alle förmlich spüren, wie sehr sie sich an dieses Stück Objektivität klammert. »Es muß deutlich werden, daß sie den Schmerz während der Erklärung tatsächlich für einen Augenblick vergißt. Die Stelle, wo das Messer sitzt, wird taub - für diesen Augenblick, in dem der Zuschauer versteht, wie es um sie bestellt ist.«
    Es war, als sei bei der Probenarbeit auch ein Impuls für diesen Abend gegeben worden. Rutz konnte stolz sein, wie gut er sich verständlich gemacht hatte. Die ihr gestellte Aufgabe war allerdings schwer - »vermutlich unlösbar«, sagte Wittekind, der dem heftigen Redestrom unbewegt lauschte. Der lichte Sommerabend war unmerklich dunkler geworden. Jetzt war aus der blauen Stunde, die eine Weile gar nicht hatte weichen wollen und nur immer blauer wurde, doch

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