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Kerrion 3 - Traumwelt

Kerrion 3 - Traumwelt

Titel: Kerrion 3 - Traumwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Seite gehörte zum Ritual die Frage, ob »er ihr wehtue«, die nach Zögern verneint wurde. Daß es Hans nicht glücklich machte, Ina die Frage, ob er ihr »wehtue«, nun schon eine Weile nicht gestellt zu haben, darf man freilich annehmen. Ina schlief mit festen Zügen, aber die Hitze setzte ihr auch im Schlaf zu, und so schob sie das Leintuch weg. Ihre Schultern, immer noch leicht bronziert, und die weißen Brüste ka--men aus dem Laken hervor. Zeit sie zu betrachten hatte Hans. Sie knirschte leise mit den Zähnen und runzelte die Brauen. Etwas Unerfreuliches begegnete ihr in dem nahen fernen Land, in das sie sich hatte hineingleiten lassen.
    Liebevolle, oder besser, begehrliche Gedanken, die aber nicht auf Erfüllung hoffen durften, galten ihrem Anblick, aber Gelegenheit, die letzten Stunden zu bedenken, gab es auf diese Weise gleichfalls. Hans staunte, wie unerwartet scharfsinnig Ina beobachtet hatte. Wie unversöhnlich kritisch sie war. Dabei hätte Britta eine Schwester von ihr sein können in dieser »Muschelreinheit« - da war es wieder, das seltsame Wort, aber Hans wollte etwas ganz Bestimmtes darunter verstehen: Das Muschelige sollte die Vorstellung eines reinen, dünnflüssigen, duftenden Speichels hervorrufen. Das Appetitlichste, was es für Hans überhaupt gab, sich in einen solchen reinen süßen Speichelmund zu versenken, das war der Gipfel seiner Wünsche.
    Er konnte, wenn er sich aufrichtig Rechenschaft gab, auch gar nicht finden, daß Britta da nun unablässig »gelogen« habe, ohnehin ein viel zu starkes Wort, Ina war eben noch sehr jung, man konnte sagen, sie war von juvenilem Moralismus. Britta hatte ein wenig auf die Pauke gehauen. Sie war Gastgeberin und wollte die Gäste unterhalten. Bei einer Schauspielerin war es nicht mehr als recht und billig, wenn das dann bedeutete, daß die Gäste zu Publikum werden mußten. Schon deshalb war der ernste Begriff Lüge hier ganz fehl am Platze. Eine Schauspielerin log nie. Sie spielte ihre Rolle, und wenn man solches Theaterspielen im Privaten, nachdem der eigentliche Vorhang gefallen war, auch fragwürdig finden mochte, war es doch ein verzeihliches gesellschaftliches Delikt. Fragten sich die Wahrheitsfanatiker eigentlich zuweilen, was ihnen überhaupt den Anspruch auf wahrheitsgemäße Reden, wahrheitsgemäße Bekenntnisse gab? Warum sollte man denn verpflichtet sein, sich vor Fremden zu entblößen?
    Er hatte über Inas Sammlung von aufgespießten Bemerkungen gelacht, aber er fühlte sich jetzt, nachdem sie ihn allein gelassen hatte, ein bißchen schlecht mit diesem Gelächter, als habe er damit einen Verrat verübt, der dazu noch gar nicht belohnt worden war.
    Für Hans war die Treue zu Ina eine Selbstverständlichkeit. Er war keine frivole Natur. Auch wenn sich früher die Gelegenheit zu kleinen Abenteuern ergab, schenkte er seinen Damen immer reinen Wein ein, und empfand keine Freude daran, jemanden zu betrügen. In dieser Hinsicht hatte Frau von Klein schon recht mit ihrem Urteil, Hans sei »plain«, aber Ina sah diese Einfachheit als Vorteil und wollte gern in einfachen Verhältnissen leben und selbst auch einfach sein. Ina war eigentlich niemals Hansens Geliebte gewesen, in der vollen, berauschenden, sinnlichen Bedeutung dieses schönen alten Wortes. Es war da von Anfang an eine Art erotischer Geschwisterlich-keit zwischen ihnen, wie man sie vielleicht bei Völkern findet, in denen man die kleinen Buben und Mädchen lange vor der Geschlechtsreife miteinander verlobt und zusammen aufwach-sen läßt, so daß sie sich, wenn der Augenblick der Hochzeit dann schließlich kommt, schon ihr ganzes Leben lang zu kennen meinen, weil sie zusammen sprechen gelernt und zusammen Versteck gespielt haben. Treue wird hier ein Lebens-gesetz. Und obwohl Hans nicht mit Ina aufgewachsen war, sondern sie erst vor fünf Jahren kennengelernt hatte - der Entschluß zu heiraten war von beiden schon sehr schnell gefaßt worden, beinahe gleichzeitig, einen regelrechten Heiratsantrag hätte man historisch nicht destillieren können -, war ihm, als habe er sie schon immer gekannt. Eine Treulosigkeit war ihm dennoch anzulasten und keine kleine: die Treulosigkeit gegen die vielen Jahre vor Ina, die nun mit all ihren Begegnungen und Erlebnissen gar nichts mehr darstellen sollten.
    Der Treue-Sockel - um es architektonisch zu sagen -, auf dem Hans mit Ina stand, war also äußert stabil fundamentiert, so felsenfest errichtet, daß er sich gar nichts dabei dachte, als er sich nun

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