Kerstin Dirks & Sandra Henke - Vampirloge Condannato - 01
sekundenlang die Luft an. Dann atmete sie geräuschvoll aus und brachte es auf den Punkt. „Dorian ist ein Vampir.“
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Sandra Henke & Kerstin Dirks Begierde des Blutes
„Du wusstest es nicht“, keuchte Marcus, der begriff, dass er ein Geheimnis ausgeplaudert hatte. Er ließ Tammys Schultern los und schlug sich mit beiden Händen unentwegt gegen die Stirn.
„Hör auf damit!“, schrie sie und klammerte sich an seine Arme, damit er sich nicht weiter wehtun konnte.
Jetzt hatte sie den Beweis. Dorian hatte ihr die ganze Zeit, als er von seiner Gier nach Blut gesprochen hatte, die Wahrheit erzählt. Und sie dachte, er wollte sich lustig über sie machen. Die vergangenen Tage schossen in Gedanken wie ein Film an ihr vorbei. Seine Zähne, er hatte sie beinahe in ihren Hals gebohrt, ihr Busen hatte sich an ihnen gerieben, als er an ihren Nippeln saugte, doch anstatt sie zu beißen, hatte er sie geliebt. Weshalb verschonte er sie? Aber was war mit Samantha?
„Ich muss meine Schwester warnen!“
„Er wird ihr nichts tun.“ Marcus nahm Tammy in die Arme und presste sein Gesicht an ihren Hals wie ein Kind, das sich hemmungslos weinend an seine Mutter klammert.
„Was hat er vor? Was will er von der Familie Malt?“
„Ich weiß es nicht“, schluchzte er. Dann richtet er sich auf, nahm ihr Gesicht in beide Hände und bettelte: „Du darfst niemandem etwas erzählen, ja? Bitte. Ich flehe dich an. Die ‚Loge Condannato’ wird Übles mit mir anstellen, wenn sie erfahren, dass ich…“
Sie unterbrach ihn. „Gehört Dorian ihr auch an?“
„Er ist der Anführer und sein Gestüt ‚Ride through time’ in Wirklichkeit das Vampirhaus. Bitte, Tammy. Du musst dich höllisch in Acht nehmen vor ihm. Er ist mächtig, sehr mächtig, denn er lebt schon seit mehreren Jahrhunderten und ist gereift wie Wein, der nun würzig schmeckt, fast zu kräftig, um ihn zu mögen. Versprich mir, dich von ihm fern zu halten.“ Sie nickte und wusste gleichzeitig, dass sie das Versprechen nicht einhalten konnte. Die Wahrscheinlichkeit, dass Dorian ihr Sophies Memoiren zugespielt hatte, war hoch. Der Wunsch, mehr über Sophie und Jeremy zu erfahren, war zu groß. Außerdem musste sie herausfinden, was er im Schilde führte. Tammy wollte ihre Familie schützen. Ihr eigenes Schicksal war dabei unwichtig. Aber wie sollte sie gegen einen Mann kämpfen, der ihr überlegen war und sie mit einem einzigen liebevollen Blick in die Knie zwingen konnte?
„Du bist ein Vampir-Anwärter?“, fragte sie Marcus ungläubig. „Wie konntest du nur dort hineingeraten?“
„Genauso wie du, durch Zufall und dieser heißt Dorian“, antwortete er trocken und küsste sie auf den Mund.
Bestürzt riss Tammy die Augen auf. Sie versuchte ihn abzuwehren, trommelte gegen seine Schultern und riss an seinen Haaren. Aber erst als sie ihm mit aller Kraft auf den Fuß trat, ließ er von ihr ab.
„Ich dachte, wir sind Freunde“, rief sie aufgebracht. Sie ohrfeigte ihn, bereute das im nächsten Augenblick, weil er sie anschaute wie ein begossener Pudel und rannte zum Haus zurück.
Den ganzen Tag verschanzte Tamara sich in ihrem Zimmer, mit der Ausrede, an verschiedenen Werbekonzepten für die geplante
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Restaurantkette zu arbeiten. In Wahrheit brauchte sie Zeit, die neuen Informationen zu verdauen und sich einen Plan zurechtzulegen, wie sie von nun an vorgehen wollte. Dorian mochte keine Unschuldslämmer. Nun, Tammy war keins mehr und damit würde er erst einmal fertig werden müssen. Doch sie durfte sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Behutsam wollte sie die Nuss knacken, die Dorian Everheard hieß. Dafür war sie gezwungen über ihren eigenen Schatten zu springen und sich Dorian wieder zu nähern. Sie musste Samantha ausstechen, Dorian zeigen, dass er nur sie wollte und sich unauffällig interessant machen.
„Das wird nicht einfach“, sprach sie zu sich selbst und schaute auf das zimtfarbene Seidenkleid, das sie heute trug. Ihr kleiner, blanker Busen zeichnete sich zwar darauf ab, aber es war bis oben geschlossen und mit Speck fing man bekanntlich Mäuse. Wie hatte sie denn ahnen können, dass sie ausgerechnet Dorian in der Villa ihrer Eltern wiedertreffen würde. Die Ereignisse überschlugen sich und Tammy kam nicht mit. Aber von nun an würde sie stark sein, so taff wie im Arbeitsalltag – hoffte sie. Doch als sie Dorian am Abend im „That Delicious Bite“, das sich inmitten des Marble Hill
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