Kerzenlicht Für Eine Leiche
war an der Zeit, dass der Bamforder Zirkel für schwarze Magie wieder aus der Versenkung auftauchte.
Der Dauerregen hatte wieder eingesetzt, als sie den Stadtrand erreichte. Gischt spritzte zu beiden Seiten auf wie das sich teilende Rote Meer, als sie durch die tiefen Schlaglöcher fuhr. Fußgänger eilten mit eingezogenen Köpfen unter breiten Schirmen vorüber und drückten sich an die Wände, möglichst weit weg vom Bordstein und den unvermeidlichen Spritzern.
Mrs. Archibald war zu Hause. Meredith hatte die Adresse aus dem Telefonbuch. Es gab nur einen Archibald, Vorname Derek, und er war zweimal aufgeführt. Einmal die Geschäftsnummer, und darunter die Privatanschrift. Meredith identifizierte das Cottage auf die gleiche Weise wie vorher Markby: durch Versuch und Irrtum. Vor dem Betätigen der Türglocke blieb sie eine Weile stehen und betrachtete das benachbarte Haus, das frühere Heim von Kimberley Oates und ihrer Großmutter Joan.
In Meredith breitete sich ein Gefühl von Neugier aus, gepaart mit Melancholie. Es war unmöglich festzustellen, ob sich das kleine Haus mit den Jahren verändert hatte – wahrscheinlich nicht, auch wenn gegenwärtig Umbauarbeiten im Gange waren. Nach den Planen und dem Gerüst zu urteilen, wurde das Dach ausgebaut. Der Wind hatte einen Weg unter eine der Planen gefunden, und sie flatterte nun laut gegen die Hauswand.
Unter dem niedrigen Türsturz dieses Eingangs war Kimberley hergegangen, über den schmalen Weg und hinaus auf die Straße, auf dem Weg zu ihrem letzten Stelldichein.
»Aufgedonnert«, mit den Worten ihrer Großmutter, nachzulesen im Polizeibericht, als sie Kimberleys Verschwinden gemeldet hatte. Eine traurige Bemerkung, aber zugleich extrem interessant. Denn wenn, so überlegte Meredith, Kimberley sich Mühe gegeben hatte, attraktiv auszusehen, dann hatte sie vorgehabt, einen Mann zu treffen. Keinen, den sie am Abend sehen würde – damit war Simon French ausgeschlossen. Nein, es war eine Verabredung am helllichten Tag gewesen. War damals niemand auf der Straße gewesen? War sie unterwegs niemandem begegnet? Der Polizeibericht schwieg sich darüber aus. Doch es fiel nicht schwer sich vorzustellen, wie Kimberley nach hier und dort gegrüßt hatte, während sie durch die schmale Gasse geeilt war.
»Sie sind wirklich sehr schick heute, meine Liebe.« Mrs. Etheridges Worte gingen Meredith durch den Kopf. Hatte an jenem schicksalhaften Tag vielleicht ein anderer genau das Gleiche zu Kimberley gesagt?
Eine Regenbö fand die schmale Lücke zwischen Merediths Hals und Kragen, als sie sich abwandte und den Weg zu Mrs. Archibalds Tür hinaufeilte.
»Schwarze Messen?« Mrs. Archibald, eingekeilt in ihren Lehnsessel, starrte Meredith ungläubig an. Sie stieß die Luft langsam und schmerzvoll rasselnd aus.
»Nicht, dass ich je von so etwas gehört hätte! Was denn, etwa hier in Bamford?«
Unglaube und Neugier lagen in ihrem roten Gesicht in heftigem Widerstreit. Sie konnte es nicht – fast nicht – glauben. Doch es war unverkennbar, dass sie mehr darüber erfahren wollte.
»Ich habe bereits mit Ihrem Ehemann wegen des Zwischenfalls vor einigen Jahren gesprochen, als er und Mrs. Etheridge eines Abends auf dem Altar eine brennende Kerze fanden. Damals waren beide Mitglieder im Kirchenvorstand. Vielleicht ist Mr. Archibald auch heute noch für die Kirchengemeinde tätig?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Nein, er hat sein Amt vor einigen Jahren aufgegeben. Dieser Pater Holland hat seine eigenen Vorstellungen. Der arme Pater Appleton, er war ein ganz anderer Mann. Ein Vikar von altem Schrot und Korn. Wir alle haben ihn sehr vermisst. Leider war er zum Schluss ziemlich gaga.«
Der verstorbene Maurice Appleton war damit abgehakt. Man musste nicht besonders fantasievoll sein, um sich vorzustellen, dass Derek Archibald unter der laxen Regie des alten Vikars lieber im Kirchenvorstand gewesen war als unter Pater Hollands energischem Führungsstil.
»Ich nehme an, Ihr Mann hat Ihnen damals von dieser Geschichte mit der brennenden Kerze erzählt?«, erkundigte sich Meredith.
Der Gasofen brannte. Er zischte leise, und die blassen Flammen flackerten munter. Von Zeit zu Zeit ertönte vom Schornstein dahinter ein schwaches Fauchen. Der Tag mochte nass und kühl sein, doch für Merediths Geschmack war die Hitze in dem winzigen Wohnzimmer unangemessen. Doch sie war auch noch nicht alt und gebrechlich. Mrs. Archibald war offensichtlich beides. Ihr schnaufendes Atmen klang
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