Kerzenlicht Für Eine Leiche
nicht ruhen? Sie finden nie raus, was mit ihr passiert ist, finden sie.« Von der Decke her ertönte ein leises Knarren. Meredith blickte nach oben. Bullen schien es nicht zu bemerken. Er sagte:
»Ist es das, weswegen sie gekommen sind? Wollten Sie das wissen?«
»Mehr oder weniger.«
»Hat Markby Sie geschickt?«
»Nein, es war meine eigene Idee.« Die Decke knarrte erneut. Meredith blickte suchend nach Oscar, der vielleicht irgendwie einen Weg in den ersten Stock gefunden hatte. Doch Oscar war durch die offene Hintertür nach draußen gelaufen und betätigte sich nun selbst ein wenig als Gärtner. Er scharrte energisch mit seinen kurzen Vorderpfoten an einem dicken Grasbüschel. Von Zeit zu Zeit biss er in das Büschel und zerrte daran. Sie wandte sich wieder zu Bullen um, der sie aus gelben Augäpfeln misstrauisch anstarrte.
»Dachse«, sagte Bullen.
»Diese kleinen Hunde sind extra gezüchtet, um Dachse auszugraben. Das hat der Major mir erzählt. Gib ihnen die Gelegenheit, und sie ziehen los und buddeln Löcher. Es ist ihre Natur. Genau wie meine. Deswegen kommen der kleine Köter und ich auch so gut miteinander aus. Wir beide graben gern.« Oscar hatte das Grasbüschel endlich ausgerissen, und jetzt hielt er es mit den Zähnen gepackt, um es totzuschütteln. Dreck flog in alle Richtungen.
»Sagen Sie Markby, wenn Sie ihn sehen, dass wir den Kaninchenzaun fertig haben.« Es hatte wenig Sinn, weitere Fragen zu stellen. Im Gegensatz zu Simon French war Bullen niemand, der Geschwätz mochte. Genauso wenig, wie er Fragen beantwortete – was Markby bereits erfahren hatte. Es sei denn, es ging um die Vorteile, die ein Leben als Totengräber bot. Oscar trottete herein, von oben bis unten voller Erde. Die schmutzverkrustete Zunge hing aus seinem Maul. Das Grasbüschel, wahrhaftig und gründlich tot, lag vergessen auf dem Weg. Oscar war ein glücklicher Hund. Er trottete zur Wasserschale, streifte an Merediths Bein vorbei und verlor eine Schaufel Dreck. Sie bückte sich, um ihn zu tätscheln, und sagte dabei:
»Ich gehe dann jetzt wohl wieder, Mr. Bullen.«
»Meinetwegen«, antwortete Bullen. Als sie davonfuhr, blickte sie in den Rückspiegel, in dem die Frontseite von Bullens Cottage zu sehen war. In einem der oberen, schmutzigen Fenster schien sich ein Vorhang zu bewegen. Vielleicht ein Luftzug. Vielleicht war Bullen ja auch nach oben gegangen und hatte ihr hinterhergesehen. Wahrscheinlich wollte er sicher sein, dass sie wirklich weg war.
»Also haben wir zwei weitere Verdächtige auf unserer Liste«, sagte Bryce. Sie hielt die getippte, von Major Walcott unterschriebene Aussage hoch.
»Walcott. Auch wenn er sich freiwillig gemeldet hat. Aber das machen sie häufig, nicht wahr?«
»Das tun sie tatsächlich, Louise«, stimmte Markby ihr zu. Vor seinem geistigen Auge sah er den ernsten Blick des Majors, die leicht hervortretenden Augen, als er Markby versicherte, dass Richard Holden ein fürsorglicher, liebender Familienvater gewesen sei.
»Walcott und seine Frau haben Kimberley Oates also ihre sämtlichen Ersparnisse in die Hand gedrückt, unter der Voraussetzung, dass sie die Stadt verlässt«, sagte Bryce.
»Und falls sie später festgestellt haben, dass Kimberley gar nicht daran dachte, ihr Versprechen zu halten, und sie stattdessen auslachte, könnte er durchaus wütend genug geworden sein, um sie zu töten. Er war damals zwölf Jahre jünger und ein ehemaliger Soldat.«
»O ja …«, sagte Markby mit niedergeschlagener Stimme.
»Und Richard Holden.« Bryce verzog das Gesicht.
»Obwohl das schwierig werden könnte. Holden ist tot, und nach Walcotts Worten hat er sich selbst das Leben genommen. Und wenn er zuerst das Mädchen und dann sich umgebracht hat? So etwas geschieht andauernd. Vielleicht hat er Bullen überredet oder bezahlt, damit er den Leichnam verscharrt. Ein einheimischer Landbesitzer wie Holden hätte keine Mühe, einen seiner Pächter dazu zu bringen, so etwas für ihn zu tun. Wir wären niemals im Stande, etwas zu beweisen.«
»Gott sei Dank«, murmelte Markby. Bryce blickte ihn überrascht an, und er erklärte:
»Ich habe nur laut nachgedacht. Falls Richard Holden ihr Liebhaber war, warum hat sie nicht ihn um Geld gefragt?«
»Vielleicht hat sie das. Vielleicht hat er ihr einige kleinere Beträge zukommen lassen. Vielleicht war er der reiche Freund, den sie Jennifer Jurawicz gegenüber erwähnt hat? Von dem Kimberley hoffte, dass er ihr eine Wohnung bezahlen würde?
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