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Kerzenlicht Für Eine Leiche

Kerzenlicht Für Eine Leiche

Titel: Kerzenlicht Für Eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Granger Ann
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ehrlich sein, Alan – wenn sich jemand auf meinen Friedhof schleichen und unbemerkt eine Tote bestatten kann, wirft das wohl kaum ein gutes Licht auf mich oder meine Fähigkeiten, meinen Sie nicht? Der arme alte Maurice Appleton hingegen war die letzten beiden Jahre vor seiner Pensionierung sehr krank. Er ließ alles einfach laufen. Die Kirchengemeinde war in einem schrecklichen Chaos. Es wäre vieles noch schlimmer gekommen, wäre der damalige Kirchenvorstand nicht einigermaßen kompetent gewesen.« Der Priester zögerte, bevor er fortfuhr:
    »Wie bereits gesagt – ich hatte eine Reihe von Auseinandersetzungen mit dem Kirchenvorstand, als ich herkam. Die Mitglieder hatten sich daran gewöhnt, die Dinge auf ihre Weise zu regeln, und sie wollten keine Veränderungen. Eine Frau namens Etheridge beschuldigte mich des Pfaffentums und trat sogar aus der Kirche aus!« Der Pfarrer schüttelte den bärtigen Kopf und vertrieb die Erinnerung an alte Querelen.
    »Wie wollen Sie herausfinden, wer die Tote ist? Im Register für vermisste Personen nachsehen?« Jetzt war Markby an der Reihe, bedauernd dreinzublicken.
    »Damals wurde das Vermisstenverzeichnis noch nicht so effizient geführt wie heutzutage. Der verstorbene Pater Appleton war nicht der Einzige, der die Dinge schleifen ließ. Wir können im Grunde genommen nur hoffen, dass sich jemand meldet und einen Namen nennt. Sicher, wir besitzen Aufzeichnungen über einige Vermisstenfälle, doch wir müssen dreißig Jahre zurückgehen, vergessen Sie das nicht, für den Fall, dass die Tote schon so lange begraben ist. Selbstverständlich werden wir sämtliche Akten aus jener Zeit sichten, doch das dauert eine Weile. Wenn wir damit fertig sind, werden wir in den Nachbargemeinden weitermachen. Die Tote kann theoretisch von überall her kommen, auch wenn es mehr als wahrscheinlich ist, dass sie aus dieser Gegend hier stammt.« Pater Holland nickte traurig.
    »Es klingt wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen.«
    »Nun ja – ganz so schlimm ist es vielleicht nicht.« Markby wollte nicht, dass die anstehenden Untersuchungen von vornherein mit einer negativen Note behaftet waren, nicht zu diesem frühen Zeitpunkt jedenfalls.
    »Versetzen Sie sich in die Lage der Person oder der Personen, die sie begraben haben. Ein Leichnam lässt sich nicht ohne weiteres durch die Gegend transportieren. Vergessen Sie nicht, dass viele der heutigen Straßen vor zehn oder zwölf Jahren noch nicht existiert haben. Heutzutage ist es kein Problem mehr, eine Tote über große Entfernungen zu transportieren und sie irgendwo im Land abzuladen. Damals war es sicher umständlicher. Wir haben es eindeutig mit dem Versuch zu tun, einen Todesfall zu verschleiern, aus welchem Grund auch immer. Wer dafür verantwortlich war, wollte es auf die schnellste und bequemste nur denkbare Weise erledigen.« Markby grinste schwach.
    »Und er besaß offensichtlich keinen Garten.« Pater Holland schnitt eine Grimasse.
    »Vermutlich entbehrt es nicht einer gewissen Logik, die Tote auf einem Friedhof zu begraben. Ein Friedhof ist naturgemäß der beste Platz dafür.«
    »Absolut. Und was die Identität der Toten angeht – falls sich niemand meldet oder wir nicht auf irgendeine andere Weise herausfinden, wer sie war, dann gibt es Techniken, ein Gesicht aus dem Schädel zu rekonstruieren. Wir stecken noch lange nicht in einer Sackgasse, James. Im Gegenteil, ich bin recht zuversichtlich, dass wir bald einen Namen finden werden.« In Wirklichkeit war Markby nicht annähernd so zuversichtlich wie seine Worte, doch James Holland brauchte ein wenig Trost. Der Pfarrer hatte aufmerksam zugehört. Ein Aspekt von Markbys Worten schien ihn besonders zu faszinieren.
    »Eigenartig«, sagte er.
    »Die Vorstellung, dass ein Gesicht aus nichts weiter als einem Schädel rekonstruiert werden kann! Fast, als würde man die Tote wieder auferstehen lassen, finden Sie nicht? Tote Knochen mit Fleisch überziehen. Es ist so intim, man spricht sie mit einem Namen an, als wäre sie noch lebendig. Wir beschwören sie aus dem Grab herauf, und sie weilt wieder unter uns. Die arme Frau.«
    »Falls es uns gelingt, sie zu identifizieren«, sagte Markby leise, »dann erhöhen sich jedenfalls unsere Chancen herauszufinden … herauszufinden, wer sie begraben hat.« Fast hätte er gesagt: wer sie ermordet hat. Doch bisher war die Todesursache nicht geklärt, zumindest offiziell. Inoffiziell neigte Markby dazu, der Meinung der Bamforder Kollegen zuzustimmen.

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