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Kerzenlicht Für Eine Leiche

Kerzenlicht Für Eine Leiche

Titel: Kerzenlicht Für Eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Granger Ann
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vor langer, langer Zeit – jedenfalls kam es ihm in seiner Erinnerung so vor –, war er stets draußen gewesen, wo sich alles ereignete. Doch wahrscheinlich spielte ihm seine Erinnerung einen Streich. Das Gedächtnis ist berüchtigt für seine Unzuverlässigkeit. Es ist der gleiche Trick, der einen glauben macht, die Sonne hätte während der gesamten Kindheit und der Jugend ununterbrochen geschienen. Im Gegensatz zu diesem Tag! Markby blickte verdrossen zum Fenster hinaus. Oder diesem ganzen Sommer. Was für ein Wetter! Was für ein dummer Zeitpunkt, um mit einem Flussboot über den Kanal zu schippern! Außerdem – wenn er ehrlich war, verspürte er ein rein persönliches Verlangen, diese Untersuchung zu leiten und diesen Fall aufzuklären, der sich in einem Revier ereignet hatte, das er noch immer als
    »sein eigenes« betrachtete. Wie um das Gefühl zu verstärken, war ein alter Bekannter zu ihm gekommen, Pater James Holland – der Pfarrer der Gemeinde, auf deren Friedhof der grausige Fund gemacht worden war –, um seine Aussage zu Protokoll zu geben. Selbstverständlich hatte Markby bereits mit dem Pfarrer über die Ereignisse gesprochen, als er den Friedhof inspiziert hatte. Zahlreiche Beamte waren zugegen gewesen und mit Spurensicherung beschäftigt, sodass Markby keine Gelegenheit gefunden hatte, mehr als ein paar kurze Worte mit Holland zu wechseln. Das Bild, das in Markbys Verstand haften geblieben war, zeigte den Pfarrer, flankiert von den beiden Totengräbern, im Nieselregen und mit einem völlig konsternierten Gesichtsausdruck. Heute sah sein Besucher keineswegs fröhlicher aus. Er saß zusammengesunken vor Markbys Schreibtisch und hielt einen Becher heißen Tees in den mächtigen Händen.
    »Es ist eine Schande, James«, sagte Markby heftig.
    »Ich meine, dass unsere Unterhaltung rein geschäftsmäßig sein muss.« Pater Hollands kraftvolle Gestalt rutschte unruhig auf dem viel zu kleinen Stuhl hin und her, den man ihm hingestellt hatte.
    »Es ist eine faule Geschichte!«, grollte er, wobei er mit den massigen Schultern zuckte und sich in Markbys Büro umsah.
    »Ein schickes neues Büro haben Sie, das muss man Ihnen lassen.«
    »Ich gewöhne mich daran«, antwortete Markby.
    »Und einen hübschen Ausblick.« Darauf angesprochen blickte Markby einmal mehr zum Fenster hinaus, durch das die regennassen, schweren Kronen der Bäume zu sehen waren. Es hatte eben wieder von neuem angefangen zu regnen. Falls sie tatsächlich zu ihrer Bootstour auf dem Kanal aufbrachen, dann schien es zumindest unwahrscheinlich, dass er oder Meredith auf dem Dach liegen und sonnenbaden konnten. Geistesabwesend sagte Pater Holland:
    »Ich bin mit meiner Maschine hier.« Er meinte das schwere Motorrad, mit dem er die guten Bürger seiner neuen Gemeinde vor einigen Jahren erschreckt hatte, als er nach Bamford gekommen war. Er hätte es nicht eigens erwähnen müssen. Der glänzende schwarze Helm lag auf einem zweiten Stuhl, und Holland trug seine Lederkombination mit den schweren Stiefeln. All das zusammen und sein buschiger Bart hatten bei den Beamten gelinde Besorgnis ausgelöst, als Holland das Bezirkspräsidium betreten hatte. Sergeant Prescott hatte befürchtet, dass es zu heftigen verbalen Attacken kommen könnte, ähnlich denen, die rivalisierende Biker-Gangs untereinander ausfochten. Der Anblick des Pastorenkragens, als die zottige Gestalt ihre Lederjacke geöffnet hatte, war für Prescott ein herber Schock gewesen. Prescott war noch jung und neigte zu vorgefassten Meinungen über andere Menschen. Jetzt in diesem Augenblick redete er wahrscheinlich mit seinen Kollegen unten in der Kantine über den Zwischenfall.
    »Sie haben bereits mit Inspector Bryce gesprochen, nehme ich an?« Markby griff nach dem Schnellhefter auf seinem Schreibtisch.
    »Bryce hat mit mir geredet«, murmelte Holland kleinlich.
    »Sie glaubt, dass die Chancen nicht schlecht stehen, den … die Überreste zu identifizieren.«
    »Nun, immerhin ist es ein vollständiges Skelett«, sagte Markby.
    »Und das ist gar kein schlechter Anfang. Fehlende Knochen sind immer eine komplizierte Geschichte, und wenn gar der Kopf verschwunden ist …« Markby bemerkte den gequälten Blick des Geistlichen und fuhr munter fort:
    »Die Lowes haben den Leichnam gefunden? Ich erinnere mich an die beiden. Einmal gesehen, nie wieder vergessen. Denzil und Gordon. Warum haben sie das Grab überhaupt geöffnet?«
    »Das ist leicht zu erklären«, antwortete Holland, indem er

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