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Kerzenlicht Für Eine Leiche

Kerzenlicht Für Eine Leiche

Titel: Kerzenlicht Für Eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Granger Ann
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darüber.‹ Aber wenn Kim wirklich aufgetaucht wäre, weiß ich nicht, was Jack getan hätte.« Sie sah zu ihrem Sohn.
    »Tut mir Leid, Glyn. Aber du weißt selbst, wie dein Vater gewesen ist.« Vor Markbys geistigem Auge stieg das Bild von Kimberley Oates auf, die von ihrer Großmutter überrascht wurde, als sie alte Weihnachts- und Geburtstagskarten angesehen hatte und nach einem Hinweis über den Verbleib ihrer verschwundenen Mutter suchte. Es war nicht an ihm, Susan zu verurteilen. Im Gegenteil. Er konnte sich unmöglich ein vollständiges Bild machen. Susan hatte sich eine Geschichte zurechtgelegt, die sie selbst zufrieden stellte. Sie glaubte an all das, was sie ihm erzählt hatte. Genauso war es gewesen. Sie hatte die Erinnerung an ihre Jugend keimfrei gemacht, von anstößigen Stellen befreit, bis sie akzeptabel war. Markby fragte sich, wie sie, als sie in die Enge getrieben worden war und keinen anderen Ausweg mehr gesehen hatte, ihrem Mann gegenüber die Umstände ihrer Empfängnis geschildert haben mochte. Irgendeine aalglatte Geschichte, die Tempest schließlich akzeptiert hatte. Sie würde sich kaum als die eigensinnige, wilde Göre dargestellt haben, an die sich Mrs. Archibald oder Daisy Merrill erinnerten. Markby spürte einen Anflug von Ärger, weil er mehr als nur einen Hauch von Scheinheiligkeit roch. Dieses Zimmer, der ganze Bungalow, strahlte eine erbarmungslose, veraltete Vornehmheit aus. Alles war auf Hochglanz poliert und gesaugt und staubfrei und stand genau an der vorgesehenen Stelle. Falls es irgendwelche Schönheitsfehler gegeben hatte, waren sie längst ausgemerzt, genauso gründlich, wie Susan es mit ihrer eigenen Vergangenheit gemacht hatte. Markby betrachtete das große Porträt des verstorbenen Jack Tempest, der ihm von einem kleinen Wohnzimmertisch entgegenlächelte. Ein dunkelhaariger Typ mit buschigen Augenbrauen und eisernem Unterkiefer. Frauen fanden Männer wie ihn häufig attraktiv. Glyn sah seinem Vater nicht sonderlich ähnlich. Vielleicht war das der Grund, aus dem er in Ledermontur herumlief wie Darth Vader und auf seinem Motorrad durch die Gegend fuhr. Um die fehlende äußerliche Ähnlichkeit zu kompensieren. Er wirkte in seiner Lederkluft jedenfalls fehl am Platz in dem sauberen, ordentlichen Zimmer. Markby fragte sich, wie seine Schwester sein mochte. Ihr Name war Julie, hatte Mrs. Tempest ihm verraten. Sie war Krankenschwester.
    »Haben Sie je mit Ihrer Mutter telefoniert?«, fragte er. Sie schüttelte elend den Kopf.
    »Nein. Ich hatte Angst. Ich weiß, wie schlimm das nach außen hin aussehen muss.«
    »Es war nicht deine Schuld!«, sagte Glyn laut dazwischen. Markby ignorierte ihn.
    »Haben Sie vielleicht noch andere Verwandte? Oder vielleicht einen Freund der Familie, mit dem Kimberley Kontakt hätte aufnehmen können?«
    »Nein. Ich habe Kim nicht vergessen!« Ihr Trotz kehrte zurück. Fast energisch starrte sie Markby an.
    »Aber der Gedanke an sie hat so große Schuldgefühle in mir erweckt, dass ich alles abgeblockt habe. Das war einfacher. Mama genauso! Ich habe sie immer noch geliebt, und sie hat mir gefehlt. Ich wollte wissen, wie es ihr ging. Glyn und Julie haben ihre Großmutter nie kennen gelernt. Ich wusste, dass es falsch war, und es tat mir unendlich Leid – aber was sollte ich tun? Auch ich litt darunter!«
    »Haben Sie nicht versucht, Verbindung aufzunehmen, nachdem Ihr Mann gestorben war?« Er fühlte sich grausam, doch er war hergekommen, um Fragen zu stellen. Er wünschte, der Junge würde gehen. Ohne ihn würde sie ihm vielleicht Dinge anvertrauen, die sie vor ihrem Sohn nicht ansprach. Auf der anderen Seite spürte Markby, dass sie aus seiner dunklen, brütenden Gegenwart eine gewisse Kraft zog. Sie lehnte Markbys Hiersein nicht annähernd so sehr ab, wie sie es wohl getan hätte, wenn sie mit ihm allein gewesen wäre und in die Ecke gedrängt.
    »Nein, habe ich nicht.« Ihre Stimme war fast unhörbar.
    »Ich habe mich nicht einmal getraut, nach Hause zu gehen, als Mama starb, nicht einmal zu ihrer Beerdigung. Ich habe den Nachlassverwalter angeschrieben, ihre gesamte Habe der Heilsarmee zu übergeben!« Sie räusperte sich und versuchte es erneut.
    »Ich habe mich nach Jacks Tod nicht bei ihr gemeldet, weil es da bereits zu spät war. Ich hätte zu viel erklären müssen, zum Beispiel, warum ich überhaupt weggegangen war. Ich hätte Glyn und Julie alles erklären müssen. Dass sie eine Großmutter hätten, die sie nie kennen gelernt haben,

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