Kerzenlicht Für Eine Leiche
ist nicht vorbei, aber sie hat ihr Bestes gegeben, um etwas aus ihrem wenig versprechenden Leben zu machen, und das ist ihr einigermaßen gelungen. Es tat ihr wirklich Leid, dass Kimberley ermordet wurde.«
»Es tat ihr Leid!« Meredith stierte ihn an.
»Mehr hat sie nicht dazu zu sagen?«
»Sie wusste, dass die Worte unangemessen sind. Sie hat es selbst gesagt. Aber was sollte sie sonst noch sagen? Sie hatte Kimberley nicht mehr gesehen, seit das Baby ein Jahr alt gewesen war. Als Kimberley verschwand, hatte sie Angst, sie könnte vor ihrer Tür auftauchen. Heute schämt sie sich deswegen, doch vor zwölf Jahren war sie verheiratet, hatte andere Kinder und vor allen Dingen einen Mann, der nichts von ihrer Vergangenheit wusste. Es war ein Schock für sie, als sie in der Zeitung über das Skelett las und als sie erfuhr, dass Kim – so nannte sie ihre Tochter – tot war. Sie konnte mir nicht mehr dazu sagen. Vielleicht war es Zeitverschwendung, hierher zu fahren. Andererseits findet man immer irgendetwas heraus. Selbst wenn die Menschen lügen.« Verzweiflung also war das Motiv für Susan Tempests Verhalten gewesen. Verzweiflung konnte zu verzweifelten Handlungsweisen führen. Selbst zu Mord? Markby verdrängte diesen höchst unangenehmen Gedanken fürs Erste aus seinem Kopf, wo er, wie Markby genau wusste, weiter lauern würde.
»Ich hoffe nur«, sagte er, »dass Bryce bei Jennifer Fitzgerald mehr erreicht.«
»Wer um alles in der Welt ist das denn nun schon wieder?«, fragte Meredith mit einer Gabel voller Spaghetti vor dem Mund.
»Jennifer Jurawicz. Die andere Kellnerin auf dem Foto. Wenn ich’s mir genau überlege, erwarte ich mir ein paar aufschlussreiche Erkenntnisse aus ihrer Befragung. Ich wünschte, ich wäre selbst hingefahren. Andererseits ist Jennifer noch jung und spricht wahrscheinlich offener, wenn sie einer gleichaltrigen Frau gegenübersitzt, deswegen habe ich Louise Bryce hingeschickt. Junge Frauen reden doch gerne untereinander, oder? Geschichten über Jungen und so weiter?«
»Du scheinst plötzlich so sachkundig zu sein«, sagte Meredith.
»Glaubst du, Kimberley könnte dieser Jennifer Jurawicz irgendwelche Geheimnisse anvertraut haben?«
»Hoffen wir’s«, antwortete Alan.
»Ja, ich erinnere mich an Kim Oates!«, sagte Jennifer Fitzgerald.
»Ich mochte sie recht gerne. Wir kamen gut miteinander aus.« Bryce entspannte sich. Es war ein weiter Weg von Bamford nach Nottingham. Sie wusste nicht, wie der Chef vorankam, auf dem Weg nach Nord Wales, doch das Wetter hatte Bryces eigene Fahrt gefährlich genug gemacht. Jennifer lebte in einem freundlichen neuen Haus in einem frisch erschlossenen Neubaugebiet. Sämtliches Mobiliar war neu. Die Teppiche und Vorhänge waren neu und rochen immer noch nach den Läden, wo sie gekauft worden waren. Das Spülbecken in der Küche, wo Jennifer Tee gemacht hatte, sah aus wie frisch poliertes Silber. Bryce hatte alles gebührend bewundert.
»Wir haben alles neu gekauft, als wir eingezogen sind«, berichtete Jennifer mit strahlendem Lächeln.
»Wir hatten nur alte Sachen, als wir heirateten, was die Leute uns halt gegeben haben. Also warfen wir alles raus. Hübsch, nicht wahr?« Sie sah sich zufrieden in ihrem kleinen Königreich um. Jennifer war eine attraktive Frau in Jeans, Sweatshirt und Turnschuhen. Sie hatte das lange Haar mit Hilfe eines Tuchs zurückgebunden, und in ihren Ohrlöchern baumelten pinkfarbene Plastikringe. Ihr Gesicht besaß slawische Züge, und die weiße Haut ließ eine nordische Abstammung vermuten, wahrscheinlich die baltische Küste. Doch ansonsten unterschied sie sich durch nichts von den anderen jungen Frauen in dieser Gegend.
»Arbeiten Sie?«, fragte Bryce unvermittelt.
»Ich meine, haben Sie einen Job?«
»Ich habe unten in der Poliklinik gearbeitet, am Empfang, bevor die Zwillinge zur Welt kamen. Danach … beides ging nicht, verstehen Sie?« Sie neigte den Kopf und lauschte.
»Im Augenblick scheinen sie eingeschlafen zu sein.« Die Unterredung war fünfzehn Minuten ins Stocken geraten, als Jennifer die beiden pummeligen Babys, die sich glichen wie ein Ei dem anderen, für den Mittagsschlaf hingelegt hatte.
»Erzählen Sie mir über Kimberley«, bat Bryce.
»Mögen Sie noch eine Tasse Tee, Inspector? Warten Sie. Nun ja, Kimberley gehörte zu der Sorte, die gerne ausging. Sie mochte ihren Job, weil sie dadurch zu all diesen Partys kam. Ich weiß, wir waren keine Gäste, aber wir gehörten trotzdem dazu, waren ein
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