Kerzenlicht Für Eine Leiche
Sie? Alle Skandinavier neigen zu Schwermut und Gewalttaten. Es muss an den langen dunklen Nächten liegen, die zu Alkoholismus und hoher Selbstmordrate führen. Sie spielen verrückt und zerstückeln ihre Verwandten mit Äxten. Andauernd passiert so etwas.«
»Margaret lebt schon seit Jahren in England!«, protestierte Meredith gegen dieses pauschale Vorurteil gegen die nordische Lebensweise.
»Und außerdem sind nicht alle Skandinavier schwermütig oder selbstmordgefährdet.«
»Margaret würde es tun!«, erklärte Angie. Sie kippte ihren Wein hinunter.
»Glauben Sie mir, Meredith, Margaret wäre dazu im Stande. Es würde mich gar nicht überraschen, wenn sie es getan hätte.« Meredith fühlte sich zu womöglich noch stärkerem Protest herausgefordert.
»Hören Sie, Angie! Sie reden hier über ihre zukünftige Schwiegermutter! Lars’ Mutter, um Himmels willen! Was würde er sagen, wenn er wüsste, wie Sie über Margaret denken? Selbst wenn – was meiner Meinung nach mehr als unwahrscheinlich ist –, selbst wenn Margaret den Verstand verloren und das Mädchen angegriffen hat, wäre es Totschlag, aber noch lange kein Mord!«
»Genau!«, sagte Angie fest.
»Kein Gericht würde sie des Mordes für schuldig sprechen, und jeder halbwegs vernünftige Anwalt würde eine Bewährungsstrafe erreichen. Vielleicht könnte sie sich einer freiwilligen psychiatrischen Behandlung unterziehen. Es gibt eine ganze Reihe von Luxuskliniken. Mehr Hotels als Krankenhäuser. Vielleicht in der Schweiz. Oder vielleicht könnten wir sie sogar zurück nach Schweden schicken. In Schweden gibt es ganz ausgezeichnete Kliniken.«
»Angie!« Meredith fehlten die Worte.
»Das alles würde Lars wohl kaum helfen!«
»Es würde die Luft reinigen. Ich bin Realist, Meredith. Ich denke praktisch. Es gibt keine Möglichkeit, Lars’ Namen aus dieser Sache herauszuhalten! Ich wünschte, es wäre möglich, aber Sie wissen genauso gut wie ich, dass früher oder später irgendein kluger Journalist alles aufdecken wird. Wie brutal soll ich es denn noch sagen? Besser, wenn Margaret eine Bewährungsstrafe erhält für etwas, das sie in einem Zustand vorübergehender Unzurechnungsfähigkeit getan hat und zu einer Zeit, als Lars noch ein dummer Junge war … als dass die Leute anfangen zu spekulieren, Lars hätte die kleine Nutte umgebracht.« Meredith nahm die Flasche. Sie wusste nicht, was Angie dachte, aber sie brauchte einen Schluck. Dringend.
»Sie halten mich für ein kaltblütiges Miststück«, stellte Angie fest.
»Ich denke, Sie gehen immer nur vom Schlimmsten aus und ziehen voreilige Rückschlüsse.«
»Ich ziehe überhaupt keine voreiligen Rückschlüsse! Ich habe genau über alles nachgedacht! Wenn ich mich darauf verlassen könnte, dass Lars alles richtig macht, müsste ich mich nicht um ihn sorgen! Aber wie ich bereits sagte, er hat ein Gewissen.«
»Ich bin froh, das zu hören. Mir kommt es eigentlich immer so vor, als gäbe es in einem Politikerleben nicht viel Platz für ein Gewissen«, entgegnete Meredith unfreundlich. Angie strich eine Falte in ihrem Wolljackett glatt.
»Lars ist anders. Die Menschen erkennen das. Deswegen ist er so weit gekommen. Die Menschen vertrauen ihm. Er kann es bis ganz an die Spitze schaffen. Das ist selbstverständlich vertraulich! Nur unter uns!« Angie Pritchard kannte also die grundlegenden Regeln, na schön. Sprich nicht mit Journalisten, und sei selbst dann vorsichtig, wenn du mit Freunden redest.
»Gott sei Dank«, sagte Meredith unvermittelt, »dass ich nicht in Ihrer Haut stecke. Ich habe immer geglaubt, mit einem Polizisten zusammen zu sein wäre schon schlimm genug. Ich glaube nicht, dass ich damit fertig werden könnte, einen Politiker zum Mann zu haben!«
»Sie waren doch im Konsulardienst, oder nicht? Ist das denn so anders?«
»Der Konsulardienst ist nicht politisch. Es geht um britische Staatsbürger, die in Autounfälle verwickelt wurden oder im Ausland ins Gefängnis kamen, die ihre Pässe verloren haben, um Touristen, die ausgeplündert wurden und dergleichen mehr. Alles und jedes, würde ich sagen.«
»Wenn Sie damit fertig geworden sind«, sagte Angie, »dann taugen Sie auch als Politikerfrau. Auch dabei geht es um Notfälle, immer und immer wieder. Man muss auf alles gefasst sein. Das hier ist ein Notfall. Ich kümmere mich darum. Ich sage nicht, dass es leicht ist. Aber das ist der Grund, aus dem ich hier bin!« Meredith blickte sie fragend an.
»Und was soll ich Ihrer
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