Kesrith – die sterbende Sonne
Schwefel herrührende Gestank in der Luft war dick und erstickend. Niun drehte sich in der engen Umfassung und versuchte dabei, den blutenden und schwitzenden Menschen nicht zu berühren, gab aber schließlich in einem solchen Quartier den Versuch auf, auf Feinheiten zu achten. Sie lagen an einem Ort, der wahrscheinlich ihr Grab werden würde, sollte ein weiterer Schuß die Felsbank über ihnen zertrümmern, auf daß Mri und menschliche Knochen durcheinandergemischt wurden, damit zukünftige Besitzer von Kesrith sich darüber wundern konnten.
Das war Delirium. Unter solch hämmernden Schlä- gen, wie sie sie ständig umgaben, konnte der Geist nicht funktionieren. Niun fand die Unfähigkeit der Regul verblüffend. Sie beide wären schon lange tot, wenn die Regul irgendeine Kenntnis von diesem Land gehabt hätten. Die hatten sie aber nicht und feuerten statt dessen blind in eine Landschaft hinein, die ihnen so fremd und unbekannt war wie der Meeresgrund. Die Welt wurde von ständigem Flackern von Weiß und Rot beleuchtet und wirbelte in Nebel, Dampf, Rauch und Staubwolken herum, wie die Hölle, über die die Menschen fluchten. Die der Mri bestand aus nichtendender Dunkelheit.
Das Wasser spritzte zischend und brodelnd. Niun senkte den Sichtschutz des Zaidhe , denn er lag weiter außen und schützte den Menschen mit seinem Körper. Es war ein ironisches und zufälliges Arrangement, das er sofort abgelehnt hätte, falls das möglich gewesen wäre.
Eine Explosion erschütterte den Boden, betäubte die Sinne und trieb ihre betäubten Körper in eine neue Zuckung des Schreckens.
Und kurz danach erhellte weißes Licht die Felsen, wuchs, verzehrte sie, verschlang die ganze Welt. Der Druck war unerträglich. Niun wußte, daß sie getroffen worden waren, versuchte, sich zu bewegen, sich hinaus ins Freie zu rollen, bevor die Felsbank herabstürzte. Der Druck zerbarst über ihm, und alles war rot...
* * *
... Wind, Wind von großer Kraft, der Rauch und Nebel davonpfiff und den roten Wirbel vor Niuns membranbedeckten und visiergeschützten Augen bildete. Niun bewegte sich, stellte fest, daß er sich bewegte und daß er lebte.
Überall um sie herum war Licht, düster und häß- lich rot.
Mit dem Licht im Rücken rappelte er sich auf, wandte sich dem Licht zu und erblickte den Hafen.
Dort war nichts.
Er stand auf zitternden Beinen. Er glaubte, aufschreien zu müssen, so groß war sein Schmerz, und er schloß die Augen und öffnete sie wieder und versuchte, durch die Flamme hindurchzublicken, bis die Tränen sein Gesicht hinabströmten. Aber weder von der AHANAL noch von der HAZAN war irgend etwas zu sehen. In der Stadt flackerten Feuer und schickten brodelnden Rauch gen Himmel.
Und noch während er beobachtete, stieg ein Flugzeug über den nahen Horizont, kreiste weiter draußen über dem Meer und kam mit faul blinzelnden Lichtern wieder zurück.
Niun folgte ihm mit den Augen, wie es kreiste, wie es über der Stadt Runden drehte, durch den Rauch – und sich anschickte, auf die Hügel zuzufliegen.
Zum Edun.
Niun wünschte sich, das Gesicht abwenden zu können, wußte Bescheid, kannte bereits das Ende. Aber er drehte sich mit dem Flugzeug und sah zu, während ein Kloß in seiner Kehle wuchs. Sein Körper fühlte sich kalt und taub an, und im Innersten war er sich dessen, was geschehen würde, nur zu lebhaft bewußt.
Der erste Turm des Edun, der Turm des Kel, ging in Flammen auf und sank langsam, taumelnd in sich zusammen. Das Geräusch drang bis zu Niun wie ein betäubender Schock, darauf kam der Wind, während die Türme zusammenstürzten, während der ganze Bau des Edun noch einen Moment unentschieden stand, dann zerstört in sich zusammenfiel.
Und das Schiff kreiste leicht und frei und blinzelte faul in die Dunkelheit, während es sich über den Rauch erhob und überheblich auf Niun und Duncan zuflog.
Niun hielt die Pistole in der Hand. Er drehte sich und hob sie und feuerte einen nutzlosen Schuß auf die abziehenden Lichter ab, die die einzigen am Himmel waren. Die Lichter in seinen Augen verschwammen, was entweder auf die verräterische Membrane oder Tränen zurückzuführen war. Er blinzelte, die Sicht klärte sich, und er feuerte erneut.
Und die Lichter flogen noch ein Stück weiter, und dann erblühte ein rotes Licht und Fragmente wirbelten auf zahlreichen Bahnen hinab, Trümmer auf Trümmer, entweder von dem Pistolenschuß verursacht oder den Turbulenzen, die den Hafen umgeben mußten.
Es heilte nichts.
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