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Kesrith – die sterbende Sonne

Kesrith – die sterbende Sonne

Titel: Kesrith – die sterbende Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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weiterging, ob man es wollte oder nicht.
    Er begriff diesen Geisteszustand des tiefen Schocks, der keine Entscheidungen mehr zuließ. Er hatte niemals erwartet, daß eine Krise ihn lähmen würde; aber er war gelähmt, und die Kälte des Augenblicks, in dem das Volk gestorben war, umschloß immer noch seinen Geist und sein Herz und schien niemals wieder weichen zu können, auch nicht, wenn er Rache nahm, wenn er jeden atmenden Regul tötete und auch die Menschheit noch auf die Verwüstung häufte.
    Es war ein Schock, in dem ihre beiden Leben den gleichen Wert hatten, der gleich Null war.
    Er stieß den Menschen vor sich her, jetzt ohne ihn zu hassen oder zu bedauern. Er fand keinen Grund dazu, einen Menschen zu schonen, wo er selbst den Trümmern des Edun gegenüberstand. Er dachte, daß Duncan vielleicht sein eigenes Versagen in der Pflicht bedauerte, die verloren auf dem brennenden Kesrith lag; daß Duncan auch Versagen betrauerte, so elend wie er.
    Aber Duncan hatte all die Menschenwelten mit Angehörigen und wußte, daß sie überlebt hatten; und das war ein möglicher Grund, den Menschen zu hassen, wenn Niun es sich selbst erlaubte, daran zu denken. Er würde diesen Menschen nicht an sein Volk zurückgeben. Duncan würde leben, solange er, Niun, lebte. Und während er dem ins Gesicht sehen mußte, was aus Kesrith geworden war, würde der Mensch Duncan dasselbe tun.
    * * *
    Sie erreichten das Edun bei vollem Tageslicht, ohne durch Schiffe oder ein Zeichen von Leben in den Himmeln bedroht worden zu sein. Unten in der Stadt mochte es noch Leben geben, aber bis hierher reichte es nicht. Wenn Niun daran dachte, dachte er auch daran, hinunterzugehen und es zu vernichten – methodisch und freudlos. Die Regul, die keine Befähigung zum Krieg besaßen. Die schließlich in einem einzigen feigen Akt das Volk vernichtet hatten.
    Darin lag eine Ironie, die bitteres Gelächter wert war. Er betrachtete den Schutt, der das Edun gewesen war, und fühlte sich dazu bewegt, entweder bitter zu lachen oder zu weinen. Und Duncan, der nicht mehr dazu gezwungen war, weiterzugehen, lehnte sich gegen das Bankett des Straßendammes. Niun hörte sein hohles Husten und trat freundlich nach ihm, langte hinab, als das nicht genug war, um ihn auf die Beine zu bringen, packte seinen Arm und zog ihn wieder hoch.
    Es gab Arbeit, die getan werden mußte, zumindest so weit, wie sie es versuchen konnten. Er sah es nur ungern, daß die Ruinen überhaupt von Tsi'mri Händen berührt werden sollten, aber er hatte nicht mehr die Kraft, es allein zu tun. Er zog das Av'tlen und löste mit dessen Spitze die Knoten um Duncans Handgelenke, wand behutsam die Schnüre auf, die in Duncans geschwollenes Fleisch eingebettet waren, und schob das zurückgewonnene Leder wieder durch einen Ring an seinem eigenen Gürtel.
    Duncan versuchte, seine Hände wieder zum Leben zu erwecken, und betrachtete das Edun, blickte Niun fragend an. Niun ruckte als Antwort mit dem Kopf, und Duncan begriff und setzte sich in Bewegung. Sie wateten durch Schutt und schritten vorsichtig zwischen Resten der Mauern hindurch, die umgestürzt und zerbrochen waren. Dies hier war einfaches Feuer gewesen, nicht die Strahlung, in der die Stadt zweifellos gebadet worden war und die sie unbewohnbar gemacht hatte. Niun stieß gegen den Schutthaufen, der ihren Weg blockierte, und sah, daß unter dem Haufen aus schwerem Stein und feinem Staub zumindest einer des Kel lag.
    Es lag kein Nutzen darin, die Masse zu bewegen, keine Möglichkeit, sie vollständig beiseitezuräumen. Statt dessen sammelte Niun Steine auf und fing an, sie um den freiliegenden Körper herum wie einen Grabhaufen aufzuschichten – und Duncan, der sah, was Niun beabsichtigte, fing an, Felsbrocken von passender Größe aufzusammeln und sie ihm zu geben.
    Dies war eine bittere Beleidigung, daß der Mensch eher anbot als sich einem Zwang zu beugen; aber die Hilfe wurde benötigt, und er wollte dem Menschen nicht gestatten, selbst das Grab zu berühren. Und im selben Moment fiel ihm ein, daß Duncan sehr wohl seinen Schädel mit genau einem dieser Steine zerschmettern konnte, in dem Moment, in dem er ihm völlig den Rücken zuwandte, und daß der Mensch genau das plante. Also nahm Niun, solange er beschäftigt war, davon Abstand, seinen Kopf abzuwenden.
    Sie beendeten ihr Werk und gingen von diesem Platz aus tiefer in die Trümmer und in dunkle und schwierige Orte hinein, wo sich Schutthaufen über ihren Köpfen auftürmten und an

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