Kesrith – die sterbende Sonne
die She'pan und mich.«
Duncan legte den Schleier über seinen Kopf und versuchte vergeblich, ihn zu befestigen, denn er war darin nicht geübt. Niun zeigte ihm, wie er ihn zurechtdrehen konnte, um ein Band daraus zu machen, und wie er ihn anbringen konnte. Und anständig bedeckt sah Duncan nur um so besser aus. Er war nicht wie ein Kel'en gewandet; das wäre nicht angemessen gewesen. Aber er trug Kel-Schwarz und war anständig wie ein Mann bekleidet, und nicht wie ein Tier. Niun betrachtete ihn und nickte zustimmend.
»Das steht dir besser«, sagte er. »Es wird deine Haut schützen. Vergrabe deine alten Kleider. Wenn wir am Tage reisen, wirst du herausfinden, daß unsere Methode die beste ist.«
»Gehen wir?«
Niun zuckte die Achseln. »Die She'pan trifft diese Entscheidung. Ich bin ein Kel'en. Ich gehorche ihren Befehlen.«
Duncan ließ sich auf die Knie fallen und grub ein Loch, wie es Tiere taten, und legte seine Kleidungsstücke hinein. Er hielt inne, nachdem er sie zugedeckt hatte, und sah auf. »Und wenn ich euch einen sicheren Weg von dieser Welt weg anbieten könnte?«
»Kannst du das?«
Duncan stand auf. Mit dem Schleier hatte er eine neue Würde gewonnen. Niun hatte die Farbe seiner Augen noch gar nicht wahrgenommen. Sie waren hellbraun. So etwas hatte Niun noch nie gesehen. »Ich könnte eine Möglichkeit finden«, sagte Duncan, »mit meinem Volk Verbindung aufzunehmen und ein Schiff für euch herabzubekommen. Ich denke, daß ihr einiges zu verlieren habt, wenn ihr dieses Angebot nicht annehmt. Ich denke, es würde dir sehr gefallen, sie hier herauszubekommen.«
Niun legte warnend die Hand auf seine Waffen. »Tsi'mri, du vermutest zuviel. Und falls du Pläne machst: lege sie ihr vor, nicht mir. Ich habe dir gesagt, daß ich nur ein Kel'en bin. Falls ihr etwas gefällt, mache ich es. Falls etwas sie stört, beseitige ich es.«
Duncan bewegte sich nicht. Wahrscheinlich dachte er über seine Respektlosigkeit nach. »Ich begreife es nicht«, sagte er schließlich. »Offensichtlich begreife ich einfach nicht, wie die Dinge bei euch stehen. Ist sie deine Frau?«
Diese Obszönität wurde so naiv vorgebracht, in einem so verwirrten Tonfall, daß Niun beinahe vor Überraschung lachte. »Nein«, sagte er, und um Duncan noch weiter durcheinanderzubringen: »Sie ist meine Mutter.«
Und es drängte den Menschen, ihn nicht länger aufzuhalten, denn er hatte zunehmend Angst um Melein, und es gab noch in ihrer Nähe die Ha-dusei, die in die Luft schnaubten und von ihren erhöhten Posten aus leise Rufe ausstießen. Eines kam herab, als die beiden Männer das Gebiet verließen. Zweifellos würden die Kleidungsstücke nicht vergraben bleiben, aber es würde auch nicht viel von ihnen übrigbleiben, was die Augen von Verfolgern auf sich ziehen konnte.
Das Dus am Eingang ihrer Zufluchtsstätte hob den Kopf und spitzte die winzigen Ohren in ihre Richtung, strahlte Gefühle des Willkommens aus. Und Niun, der bereits den Strom des Giftes in sich spürte und wußte, daß er ihn während der Nachtstunden noch stärker spüren würde, streichelte mit den Fingern die Nase des Tieres, hielt seinen Körper zwischen ihm und Duncan.
Melein bemerkte den Menschen und nickte zustimmend angesichts der Veränderung. Aber in dieser Nacht zeigte sie kein weiteres Interesse an ihm. Sie ließ sich nieder, um sich friedlich auszuruhen, jetzt, nachdem die beiden Männer zurückgekehrt waren. Niun trank eine sehr kleine Ration Wasser, legte sich nieder und sah zu, wie der Mensch sich ebenfalls ausstreckte, soweit von den Mri und dem Tier entfernt, wie es der kleine Raum zuließ.
Als Niun die Augen schloß, war sein Geist so überwältigend voll mit Gedanken, daß er letztlich nichts tun konnte, als alles Denken fahrenzulassen und sich gehenzulassen. Das Dus-Fieber tobte in ihm. Er schwebte auf Träume in niederen geistigen Bereichen zu, die den düsteren, manchmal erschreckenden Impulsen des Dus entsprachen. Er fürchtete jedoch nicht, durch diese Impulse Schaden zu nehmen, denn die Kel-Lehre besagte, daß kein Kel'en jemals Schaden durch sein eigenes Dus erlitten hatte, sofern es geistig gesund war.
Und das Tier besaß ihn, und er besaß das Tier, und er orientierte seine gegenwärtige Welt an dem und an Melein. Am Morgen war er völlig verlassen gewesen, und an diesem Abend ruhte er in der Kel Unwissenheit, mit einem Dus, das seinen Schlaf bewachte und seinen Geist berührte, und wieder mit einer She'pan, die die Bürde des Planens
Weitere Kostenlose Bücher