Kesrith – die sterbende Sonne
Schrein verstohlene Blicke zuwerfen konnte. Er schlang die Arme um die Knie, faltete mit betäubender Kraft die Hände, wartete und lauschte.
Das Warten dauerte sehr lange, er begann sich elend zu fühlen und veränderte oft seine Stellung. Nach seinem Zeitgefühl schien es bereits auf die Morgendämmerung zuzugehen, obwohl der bewölkte Himmel, der über ihnen erkennbar war, noch dunkel war. Und einen sehr ausgedehnten Zeitraum lang drang aus dem Schrein überhaupt kein Geräusch mehr.
Endlich sprang er wieder auf und war begierig darauf, wieder an die Tür zu treten, überzeugte sich dann aber selbst davon, daß er dahinter nichts zu suchen hatte. In seinem Elend durchschritt er den Raum, den er zum Durchschreiten hatte, wobei er beizeiten auf den Menschen blickte, der wartete, wie man ihn gemahnt hatte zu warten. In der Beinahe Dunkelheit konnte Niun in Duncans Augen nichts lesen.
Wieder waren Schritte zu hören. Niun drehte sich augenblicklich um und erblickte das weiße Blitzen der Taschenlampe im Eingang. Er sah Melein wie einen Schatten. Sie hielt das winzige Licht in den Fingern und umklammerte etwas mit den Armen.
Er trat so nahe heran, wie er es wagte, und erkannte, daß sie eine Art Gehäuse trug, das eiförmig war und aus schimmerndem Metall gefertigt. Eine Tragestange befand sich in einer Aussparung an einem Ende, aber Melein trug es, wie sie ein Kind hätte tragen können, wie etwas Kostbares, obwohl sie unter seinem Gewicht taumelte und es nicht schaffte, über die Steine zu treten, solange sie es trug.
»Nimm es!« sagte sie mit schwacher, angespannter Stimme, und Niun riß sich aus der Lähmung seines Willens und streckte die Arme aus, um das Gehäuse entgegenzunehmen. Er war bestürzt über das Gewicht, das Melein zu tragen geschafft hatte. Es war kalt und hatte ein merkwürdiges Gleichgewicht, und er zitterte, während er es an sich zog.
Und ihm war wieder kalt, als er Meleins Gesicht erblickte, in dem die Feuchtigkeit in dem rötlichen Licht glitzerte, das sich hinter ihr auszubreiten begann, und im Schrein sprangen Schatten von einer Seite zur anderen. Sie drehte sich einmal um und blickte zurück, und dann blickte sie wieder Niun an, wie aus einer großen Entfernung.
Melein , versuchte er ihr zu sagen, entdeckte aber, daß er es nicht schaffte. Sie war immer noch Melein, seine Schwester, aber sie enthielt auch etwas anderes, und er wußte nicht, wie er es ansprechen sollte, sie zurückrufen sollte. Besorgt über das Feuer hinter ihr streckte er die Hand aus, und sie ergriff sie und schritt über die Felsen am Eingang und kam mit ihm. Ihre Haut war kalt. Ihre Hand glitt leblos aus seiner, als sie den Halt nicht mehr benötigte.
Duncan wartete. Er wich vor beiden etwas zurück und starrte weiterhin in das hinter ihnen zunehmende Licht. Vielleicht begriff er, daß etwas von großem Wert gerade zerstört wurde. Er sah benommen und verwirrt aus.
Nichts blieb, außer der seltsamen, kalten Eiform. Niun trug sie in beiden Armen, während Melein sich auf den Weg nach draußen machte. Er wußte, daß er sicherlich einen wesentlichen Teil der Pana trug, deren Namen seine Kaste nicht einmal ohne Furcht auch nur aussprechen konnte, die ein Kel'en niemals sehen durfte, geschweige denn in der Hand halten.
Der Kel'en, der sie hierhergebracht hatte, hatte sich selbst dem anschließenden Tod geweiht, um sie geheim und ungestört zu bewahren. Es war ein ehrenhafter Mann des alten Weges gewesen, des Kels der Zwischenzeit. Ein solcher Mann wäre über Niun s'Intel bestürzt gewesen.
Aber Niun bezog Mut aus dem Tragen des Gehäuses, denn daraus hatte Melein ihre Macht bezogen, dessen war er sicher. In seinen Augen war sie nur halb eine She'pan gewesen, eingesetzt durch Gewalt und Notwendigkeit. Aber jetzt glaubte er, daß die wesentlichen Vorgänge stattgefunden hatten, daß Intel ihr alles gegeben hatte, was sie brauchte. Hiernach konnte er sie She'pan nennen und stillschweigend glauben, daß sie die Mysterien kannte. Sie hatte den Pana von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden und begriffen, was ein Kel'en nicht begreifen konnte. Er beneidete sie nicht um dieses Begreifen. Das Geräusch ihres Weinens aber verfolgte ihn noch immer.
Aber sie wußte, und sie führte, und hiernach vertraute er ihrer Führung stillschweigend.
Sie flohen – die Mri, der Mensch und die Dusei, hinaus aus der Schlucht, in der der Rauch anfing, sich hochzutürmen und sie an den Himmel zu verraten, und in der die Flammen
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