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Kesrith – die sterbende Sonne

Kesrith – die sterbende Sonne

Titel: Kesrith – die sterbende Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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brauchen. Aber diese waren Tsi'mri, und darüber hinaus waren sie Fremde für das Volk, ein unbekannter neuer Zweig der Regul. Und sie mochten noch nicht genug darüber gewußt haben, wie man einen Kel'en behandelte. Regul waren keine Kämpfer.
    Jedenfalls nicht direkt.
    Erfüllt von dem Gedanken, der in ihm Gestalt angenommen hatte, erhob sich Niun und verließ den Schrein, nahm ein Opfergefäß mit Wasser mit und ein Kännchen und ging durch die äußere Halle zur Tür, wo das wahnsinnige Dus noch immer vor dem Edun kauerte.
    Er hatte gewußt, daß es dort wartete. Es war dem Ziel seiner Wünsche nahe und konnte es doch nicht finden. Er war sich sicher gewesen, daß es noch hier war, ebenso wie er nun mit Sicherheit wußte, wie es in den Wahnsinn getrieben worden war. Obwohl es einst zahm gewesen war, war es nicht weniger gefährlich; es konnte sich immer noch erheben und plötzlich zum Töten getrieben werden. Aber als er das Wasser vor das Tier hingestellt hatte, schnupperte es neugierig an diesem Angebot und raffte sich schließlich auf, seine Nase in das Wasser zu stecken. Der Inhalt des Kännchens verschwand. Niun füllte es ein zweitesmal und ein drittes- und viertesmal, und erst bei der vierten Füllung wandte das Tier auf einmal ablehnend seinen Kopf zurück.
    Er ließ sich auf die Fersen nieder und musterte die Kreatur eingehend, dünn, wie sie war, mit zerfetztem Pelz. Eine große offene Wunde an der Seite war noch ganz frisch.
    Medais Dus, das der Aufsicht der Regul, der Gewalt und dem Hunger entkommen war. Freiwillig hätte es Medai selbst nach dessen Tod nie verlassen.
    Regul verhielten sich nicht so wie Mri. Sie waren fähig zu Betrug, Bestechung, Heimtücke, sogar ihre eigenen Jungen abzuschlachten, jedoch niemals dazu, einen Erwachsenen zu ermorden. Weder töten noch lügen konnten sie in kaltblütiger Haltung. Sie heuerten Mri an, um ihre Feinde zu bekämpfen.
    So hatten sie es ihm immer gesagt, jene, die die Regul besser kannten als er, jene, die ihr Leben lang mit den Regul zu tun hatten.
    Folglich hatte er es auch geglaubt.
    So wie Medai.
    Er erhob sich und ging wieder hinein, zurück zum Schrein, wo er sich neben dem Körper seines Vetters niederließ, die Arme um sich schlang und verständnislos auf die verschlungenen Schriften starrte, die die Geschichte des Volkes aufzeichneten und verbargen.
    Ein Mord war geschehen, auf die eine oder andere Art, wie die Regul das auch bezeichnen mochten. Ein Kel'en war von seinen eigenen Auftraggebern umgebracht worden und sein Dus so geschwächt, daß sie es zu einem natürlichen Tod fortjagen konnten – ein Leichnam, den unwissende Regul zurück zum Kel gebracht hatten. Ein anderer Leichnam, den sie Raubtieren und Aasfressern überlassen hatten oder zumindest denen, die das Geschehene nicht verraten konnten. Hände und Gewissen der Regul waren zweifellos rein. Medai hatte schließlich getan, was sie wollten.
    Niun hatte den verzweifelten Wunsch, nach oben zu gehen und jemandem zu erzählen, was er wußte. Er wäre am liebsten zu Eddan gelaufen, um Rat einzuholen und die She'pan zu alarmieren. Aber er hatte keinen Beweis außer einem Tier, das da draußen vor der Tür lag. Er hatte nichts, worauf er solch eine Anklage gründen konnte, keinen konkreten Hinweis für seinen Verdacht, kein Motiv, von dem er annehmen konnte, daß es den Regul ausreichte, um einen Kel'en zu solch einer Tat zu zwingen.
    Es ist eine seltsame Ironie, dachte er, daß unter allen, denen Medai zugetraut hätte, für seine Rache zu sorgen, diese ausgerechnet seinem ältesten Rivalen zufallen sollte. Und der einzige mögliche Zeuge war ein Miuk-ko .
    Dusei, so sagte man, lebten in der Gegenwart. Sie erinnerten sich an nichts, was geschehen war, nur an Personen und Orte. Dieses hatte sein Heim gesucht, das Haus, wo es zuerst gelebt hatte. Es hatte Medai gesucht. Das eine hatte es gefunden, aber nicht das andere.

8
    Noch bevor die anderen sich überhaupt gerührt hatten, hatte Niun bereits begonnen, sich auf die Reise nach Sil'athen vorzubereiten. Er hatte Wasser geschöpft und den rituellen Nahrungsvorrat eingepackt, eine rein symbolische Menge, und den eigentlichen Proviant, der zum Leben diente.
    Mit großer Anstrengung holte er den Leichnam Medais aus dem kleinen Schrein und befestigte ihn mit Seilen an der Regul-Trage, auf der er angekommen war. Das Dus, das am Eingang wartete, sah es, schenkte ihm aber gar keine Aufmerksamkeit.
    Dann begannen die anderen einzutreffen: Eddan und

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