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Kesrith – die sterbende Sonne

Kesrith – die sterbende Sonne

Titel: Kesrith – die sterbende Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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alle Mri erinnerten, die ihn jemals gegangen waren. Zwischen den Felsen gab es keinen wirklichen Pfad, abgesehen vom Fehlen der größten Hindernisse und vom Vorhandensein von Orientierungspunkten. Niun kannte den Weg, denn Begräbnisse waren in seinem Leben üblich genug, wenn er auch niemals die Zeremonien gesehen hatte, die eine Geburt begleiteten; für die von Melein war er zu jung gewesen. Er zog jetzt allein an den Seilen des Schlittens und folgte Eddans hoher, schlanker Gestalt, zerrte den Schlitten allein zwischen den kleinen Felsen hindurch, bis er seine mitgenommenen Hände mit Falten seiner Gewänder umwickeln mußte, um sie zu schützen. Sein Atem ging schwer, und die Lungen schmerzten; an den Umgang mit Waffen war er gewohnt, aber nicht daran, wie Tsi'mri zu arbeiten. Jeder Höhengewinn von wenigen Schritten machte das Atmen um soviel schwieriger.
    »Niun«, sagte der eine oder andere seiner Brüder immer wieder, »laß es mich für eine Weile nehmen.« Aber hier schüttelte er ihre angebotenen Hände ab. Nur die Ältesten, abgesehen von Pasev, der Eddan den Befehl im Edun übertragen hatte, begleiteten ihn auf diesem Weg. Sein Gewissen quälte ihn jetzt, daß seine Sturheit zum Tode eines dieser tapferen alten Männer führen konnte; und sicherlich, dachte er, hatte die She'pan das vorhergesehen, und er war im Bewußtsein seiner eigenen Bedeutung zu blind gewesen, um sich zu überlegen, daß ihre Gründe ihn vielleicht gar nicht betrafen. Er hatte das Schlechteste von Medai gedacht und bereute es jetzt; und es begann ihm zu dämmern, daß er sich auch in anderen Dingen geirrt haben könnte.
    Aber jetzt, nachdem sie den Weg begonnen hatten, würde es diese Männer beschämen, zurückzukehren. Er hatte sie mit seinem sturen Stolz hier herausgebracht; er hieß den Schmerz willkommen, der die klaren Gedanken aus seinem Geist vertrieb, eine Sühne für seine Kleinlichkeit ihnen und dem Toten gegenüber. Medai war kein Feigling gewesen, kein Mann mit leichtfertigen Gedanken; dessen war er sich jetzt sicher, daß sein Vetter lange Zeit standgehalten hatte, gegen die Niedertracht seiner Meister, gegen die Götter mochten wissen, was sonst noch.
    Und den Grund für all diese Dinge kannte er immer noch nicht.
    »Eddan«, sagte er ruhig, als sie sich im Schatten einer hohen Klippe ausruhten und der Sand unter ihnen sich im rötlichen Licht von Arains Zenit kräuselte. Ein Gräber lagerte auf der Ebene unterhalb von ihnen. Niun sah, wie er die Oberfläche aufrührte und Sand hinabrieseln ließ, als er auf den Wind reagierte in dem Glauben, Beute ausgemacht zu haben.
    »Ai?«
    »Ich denke, du glaubst, daß Medais Tod nicht das war, wofür die Regul ihn ausgegeben haben.«
    Eddan, der verschleiert war, machte mit der Hand eine zustimmende Geste.
    »Ich denke«, fuhr Niun fort, »daß das Kel bereits darüber gesprochen hat, und daß ich wahrscheinlich der einzige im Kel war, den es überraschte, das herauszufinden.«
    Eddan blickte ihn lange an. Die Membrane blinzelte über seine Augen und ließ sie wieder klar aufblitzen. »Niun«, sagte er, »es ist lieblos von dir, anzunehmen, daß wir dir unsere Gedanken in einer solchen Angelegenheit absichtlich verschweigen.«
    »Aber vielleicht ist es trotzdem so, Sir, daß ihr Gründe dazu hattet.«
    Eddans Hand umklammerte Niuns Handgelenk mit hartem Griff. Eddan hatte ihn in den Yin'ein unterwiesen; niemand war geübter als Eddan oder Pasev darin, eines Menschen Seele geschickt vom Körper zu trennen; ein Zuschauer würde die Bewegung der Klinge nicht wahrnehmen. Und in Eddans Hand wohnte immer noch die Kraft. »Versuche nicht, Regul zu dienen, Niun s'Intel Zain-Abrin. Du dienst der She'pan, und eines Tages wirst du meine Stelle einnehmen. Ich denke, daß dieser Tag bald kommen wird.«
    »Falls ich Kel'anth werden sollte«, sagte Niun, den diese Worte der Vorbedeutung mit Kälte erfüllten und der sich nicht sicher war, was sie bedeuteten, »wird es ein sehr kleines Kel sein. Jeder andere ist älter als ich.«
    »Du wirst deine Ehre haben, Niun. Das haben wir niemals bezweifelt, nur du. Es wird so kommen.«

    Die tödliche Dringlichkeit dieser Aussage verwirrte ihn zutiefst, dieses Drängen Eddans. »Ich habe noch nie gekämpft«, entgegnete er, »wie kann ich da für irgend etwas geeignet sein?«
    Wieder zuckte Eddan die Achseln. »Wir sind die Hand, die Planung liegt bei anderen. Aber du kannst gewiß sein, daß du einen Nutzen hast und die She'pan ihn eingeplant hat.

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