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Kesrith – die sterbende Sonne

Kesrith – die sterbende Sonne

Titel: Kesrith – die sterbende Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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anderen Hinweise entfernte, ja, nicht einmal dies, wenn viel Zeit verstrichen war. Dusei waren sich alle zu ähnlich und zu wandelbar, und man konnte nur sagen, daß ein bestimmtes Dus dem anderen gliche , das man kannte.
    Aber daß dieses hier ihn nicht getötet, sondern sich vor allem für den Toten interessiert hatte, um sich dann unzufrieden wieder zurückzuziehen – das begriff Niun. Der Tod bekümmerte die Dusei. Andere Tiere kannten ihn einfach nicht, aber Dusei begriffen und akzeptierten ihn nicht. Sie trauerten und suchten und grämten sich und starben schließlich in den meisten Fällen selbst. Selten überlebten sie ihren Herrn, sondern vergingen vor Sehnsucht.
    Auch dieses suchte nach etwas, das es nicht fand.
    Medais Dus, das gekommen war, um nach ihm zu sehen.
    Ein Dus, das krank war und von Wunden bedeckt und tief in den Klauen eines Wahnsinns, der nicht schnell entstand, obwohl die Regul gesagt hatten, daß Medai nur eine Nacht zuvor gestorben war.
    Ein Dus, das dünn und halb verhungert war wie sein Herr.
    Ein Frösteln entstand in Niun und wuchs an, bis er körperlich zitterte, nicht nur von dem Schrecken des Dus. Er steckte sein Gewehr zurück und warf einen furchtsamen Blick auf den ungeschützten inneren Schrein, den er nie hätte ansehen dürfen.
    Es hätte nicht passieren dürfen. Er wusch die Hände im Wasser der Opfergaben, und ohne einen Fuß über die verbotene Linie zu setzen, stellte er den Schirm wieder auf; voller Ehrfurcht berührten seine Finger das leblose Metall. Er hatte es überlebt. Die Götter konnten ebenso wie Sterbliche die Respektlosigkeit eines Dusei verzeihen; und er hatte in den Sen-Schrein geschaut und fühlte sich erschüttert, aber nicht auf den Tod. Er hatte Helligkeit gesehen, aber keinen von den Gegenständen und nichts, das er als das Allerheiligste erkennen konnte. Er versuchte, nicht mehr daran zu denken. Es war nicht dazu da, um von einem Kel'en gesehen zu werden. Er wollte sich nicht mehr daran erinnern.
    Und Medai...
    Niun stellte die Lampe wieder auf, füllte sie erneut und entzündete sie, so daß ihr tröstender Schein wiederhergestellt wurde. Dann wischte er auf Knien das ausgelaufene Öl auf, das durch die Gnade der Götter nicht weitergebrannt hatte. Und während der ganzen Zeit, die er arbeitete, erschöpft und zitternd von der Nachtwache, dachte er nach und nährte das kalte Gefühl, das sich unter seinem Herzen eingenistet hatte.
    Schließlich wusch er sich aus Achtung vor Medai die Hände und legte sie auf ihn für die Respektlosigkeit, die er begehen mußte. Der Gedanke, der sich in seinen Verstand bohrte, hätte ihm sonst keine Ruhe gelassen. Er tat es rasch, nachdem er seinen Mut zusammengenommen hatte, löste vorsichtig den Stoff und untersuchte die Wunde. Sie erwies sich – er schämte sich für sein Mißtrauen und seine Tat – als genauso, wie die Regul es beschrieben hatten.
    Ika'al.
    »Vergib mir«, sagte er zu Medais Geist. Ehrfürchtig schloß er wieder die Gewänder, wusch das Gesicht und rückte den Schleier zurecht. Dann warf er sich vor dem Schrein auf das Gesicht und sprach die angemessenen Gebete zu den verschiedenen Ahnengöttern seiner Kaste, die der Seele Medais Ruhe geben sollten, und er tat dies mit größerer Aufrichtigkeit, als er sie Medai gegenüber jemals gezeigt hatte, solange dieser noch lebte.
    Sich dem zu widmen, was richtig und ehrenhaft war, hätte ihm Erleichterung und Frieden schenken sollen. Aber das war nicht der Fall.
    In ihm wuchs die Gewißheit, daß – was immer seine Augen ihm zeigen und die Regul bezeugen würden – Medai sein Leben nicht freiwillig aufgegeben hatte.
    Das Dus, das dem Geist eines Kel'en so nahe stand, war Miuk-ko geworden und so dünn, daß es durch Schrein-Türen paßte, und Medais einst kräftiger und muskulöser Körper war dünn wie eine Mumie.
    Die Kel-Quartiere waren unabhängige Einheiten im Aufbau der Regul-Schiffe, wegen der Dusei, vor denen die Regul trotz aller Logik Angst hatten, und wegen der strengen Kastengesetze, die ein Kel'en beachten mußte, wenn er mit Außenstehenden in Berührung kam.
    Aber im Grunde war ein solcher Kel'en den Regul ausgeliefert, die diese Abteilung mit Nahrung, Wasser und sogar Atemluft versorgten. Alles, was ein Kel'en tun konnte, um seine Unabhängigkeit zu wahren, bestand darin, die Tür zu verschließen.
    Hätten sie ihn töten wollen, so hätten sie nur die Luftzufuhr unterbrechen und ihn anschließend in den kalten Weltraum hinauswerfen

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