Kesseltreiben
Hotelzimmer, einem trostlosen Raum mit beigefarbener Textiltapete und billigen Kiefernmöbeln, hatten sie bis auf eine Reisetasche, Kleidung, Schuhe und Waschzeug nicht das Geringste gefunden. Kein Handy, keine Papiere, keine Schlüssel, nicht einmal ein Buch oder eine Zeitschrift, nicht das kleinste Fitzelchen Papier.
Manfred van Beek stellte gerade ein Tablett mit Tassen und einer Thermoskanne auf einen Tisch am Fenster, als sie in die Gaststube zurückkamen. »Da sind Sie ja wieder! Ich habe Kaffee gekocht.«
»Für mich nicht, danke«, sagte van Appeldorn. »Setzen Sie sich bitte.«
Van Beek gehorchte. »Was ist denn los?«
»Das wüssten wir auch gern«, erwiderte Schnittges und setzte sich ebenfalls hin. »Im Zimmer haben wir bis auf Finkensiepers Kleidung absolut nichts gefunden.«
»Das versteh ich nicht.« Van Beek schüttelte den Kopf. »Wo ist denn sein Laptop?« Dann riss er die Augen auf. »Meinen Sie, den hat jemand geklaut? Meinen Sie, bei uns ist eingebrochen worden?«
»Wenn alle Türen offen stehen, kann man wohl kaum von Einbruch sprechen«, brummte Schnittges.
Van Appeldorn schlug seinen Notizblock auf. »Wann haben Sie Finkensieper zum letzten Mal gesehen?«
»Gestern Morgen beim Frühstück.« Van Beek musste nicht lange überlegen. »Das habe ich ihm selbst gebracht.
Hier an diesem Tisch hat er gesessen. Und dann ist er gegangen. Das war wohl so gegen neun.«
»Hatte er seinen Laptop dabei?«, fragte Schnittges.
»Ja, sicher, und sein Handy auch.«
»Und danach haben Sie ihn nicht mehr gesehen. Ihre Frau vielleicht?«
»Meine Frau ist Freitag zu ihrer Schwester gefahren. Die kommt erst heute Abend wieder.«
»Wo waren Sie gestern zwischen 18 und 20 Uhr?«, wollte van Appeldorn wissen.
»Ich?«, sagte van Beek verblüfft. »Ich war auf der Jagd. Tauben, wissen Sie. Wir haben uns um vier Uhr getroffen und erst Schluss gemacht, als es zu dunkel wurde.«
Ackermann ließ den Wagen am Absperrband stehen und ging mit Penny am Wasser entlang zu Goossens’ Haus.
»War das hier auch mal eine Kiesgrube?« Penny wunderte sich. »Das sieht eher aus wie ein See. Schön.«
»Tja, dat is’ ja auch schon Vorjahren – wie sagt man noch – renaturiert worden. Wie dat ma’ gewesen is’, kannste da vorne sehen.« Er deutete auf das große kahle Wasser rechts hinter dem hohen Zaun.
Wie auf einer Insel zwischen den beiden Gewässern lag Goossens’ Anwesen, ein spitzgiebeliges gelbes Haus, umgeben von einer Wiese, einem Obsthof und einem auffallend gepflegten Nutzgarten.
Als sie das Törchen im Jägerzaun öffneten, kamen wild bellend zwei große Jagdhunde angefegt. Penny machte einen Satz nach hinten.
»Aus!«, brüllte Ackermann, aber das beeindruckte die Tiere überhaupt nicht.
Erst ein scharfer Pfiff vom Haus her brachte sie zur Räson. Sie machten auf der Stelle kehrt und liefen zu dem Mann, der in der Tür stand. Er musste weit über siebzig sein, hielt sich aber sehr gerade. Ein stattliches Mannsbild, würde meine Mutter wohl sagen, dachte Penny. Die buschigen Augenbrauen waren fast schwarz, auch im dichten Haar gab es nur ein paar Silberfäden.
Er fasste die Hunde bei den Halsbändern, zog sie ins Haus, schloss die Tür und wartete ruhig, bis die Besucher herangekommen waren.
»Ackermann!«, grüßte er. »Und wer sind Sie?«
Goossens’ Händedruck war so fest, dass Penny unwillkürlich aufstöhnte. Der Mann war früher Bauer gewesen, hatte Ackermann erzählt, aber nach seinem Landverkauf in den siebziger Jahren hatte er sich nur noch aufs Jagen und auf seine Aufgaben als Ortsvorsteher konzentriert.
»Gestern Abend ist drüben auf dem Parkplatz ein Mann erschossen worden«, begann Penny.
»Ja, das hat man mir erzählt. Ich kann Ihnen dazu aber nichts sagen, ich war ab 20 Uhr auf einer Sitzung.« Er fixierte sie.
»Sein Name war Sebastian Finkensieper. Haben Sie ihn gekannt?«
»Persönlich bei mir vorgestellt hat er sich nicht, aber van Beek hat erzählt, dass dieser Mann im Auftrag der KGG Verkaufsverhandlungen mit einigen Grundbesitzern geführt hat.«
»Un’ wat soll dat sein?«, mischte sich Ackermann ein. »KGG?«
»Kiesgewinnungsgesellschaft«, antwortete Goossens mit einem Lächeln. »Sitzt in Düsseldorf.«
»Un’ mit wem von de Buren hat er verhandelt?«
»Das weiß ich nicht.«
»Ach komm, Goossens«, entgegnete Ackermann verschmitzt. »Du wills’ mir doch nich’ weismachen, dat im Dorf irgendwat passiert, wat du nich’ mitkriegs’!«
Goossens’
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