Ketaria - Die Sehnsucht des Daemons
während die alte Inez in einem Schrank wühlte. Sie war sich nicht ganz sicher, wer älter war, die alte Frau, die nur noch aus Falten und dünnen knochigen Gliedern zu bestehen schien, oder der Schrank, der jedes Mal gefährlich knarrte, wenn sie eine der Türen öffnete. Aber schließlich zog die Frau ein altes vergilbtes Buch heraus und legte es auf den Tisch. Sie schlug es auf und begann in den knisternden Seiten zu blättern und mit dem Finger unzählige Listen auf und abzufahren, bis sie bei einem Namen anhielt. Sie sah zu Julia hoch und meinte: „Das könnte die Frau sein, die sie suchen. Sie wurde vor hundertzwanzig Jahren geboren und hieß Melody, sie war die Tochter des Müllers.“ „Das könnte stimmen, am Friedhof gab es aber keine Spur von ihr, haben sie vielleicht eine Ahnung, wo ich ihr Grab finden könnte?“ Die alte Inez machte ein betroffenes Gesicht, ehe sie sagte: „Ich erinnere mich, meine Mutter hat mir davon erzählt, das war eine ganz tragische Geschichte. Sie war so ein hübsches Mädchen, rotes Haar, grüne Augen, immer so lebendig.“ Sie musterte Julia kurz und fuhr dann fort: „Eigenartig, sie sehen ihr direkt ähnlich, sind sie vielleicht ihre Enkelin? Suchen sie deswegen nach ihr?“ „Nicht dass ich wüsste, aber ein …, ein Freund sucht nach ihr, und ich wollte ihm helfen.“ Julia log nun wirklich nicht gern, aber, wenn sie bedachte, wie panisch die Leute auf das Gespenst reagierten, würde sie vielleicht keine Hilfe bekommen, wenn sie die Wahrheit sagte. Der Blick der alten Frau verriet zwar, was sie von der Ausrede hielt, aber zum Glück begann sie trotzdem zu erzählen: „Nun da von der Familie niemand mehr lebt, kann es ja nicht schaden, wenn ich es ihnen erzähle. Melody war das einzige Kind des Müllers, sein ganzer Stolz. Aber dann hat sie sich in diesen Nichtsnutz von Tagelöhner verliebt und wollte mit ihm durchbrennen. Aber ihr Vater hat sie erwischt, er sperrte sie natürlich erst mal zu Hause ein. Die meisten dachten er würde sie nach ein paar Wochen, wenn der Kerl weitergezogen war, wieder rauslassen, aber es kam ganz anders. Eines Tages hat er sie wegbringen lassen, er hat sie in die Anstalt im Nachbarort einweisen lassen.“ Julia fragte verwirrt: „Meinen sie eine Irrenanstalt?“ Inez sah sie verwirrt an, und meinte dann: „Ich kenne den Ausdruck nicht. Es war ein Haus, dass von den heiligen Frauen geleitet wurde. Sie sind eine Vereinigung von Frauen die sich entschieden haben ihr Leben dem Dienst an den Kranken zu widmen. Die Anstalt selbst gibt es nicht mehr, aber die heiligen Frauen sind noch dort, sie könnten auch Aufzeichnungen haben.“ Julia seufzte leise auf, das Suchen nahm bei den Questen wirklich überhand, aber wenigstens wusste sie nun, dass Melody den armen Elias nicht einfach verlassen hatte. Sie bedankte sich bei Inez und ging zur Taverne zurück, um auf den Abend zu warten, damit sie gemeinsam mit Sandro diese ehemalige Anstalt aufsuchen konnte.
Auf seinem Weg zu Ricardo war Sandro zwischen dem überschäumenden Glück, dass Julia ihn liebte und ihm eine Chance gab und der Angst, dass sie ihn, wenn sie die ganze Wahrheit erfuhr, doch ablehnen würde, hin und hergerissen und da war dann auch noch die Panik, dass ihr etwas passieren könnte. Wenn er nur an die Situation mit dem Geist dachte, stieg kaltes Grauen in ihm auf, weswegen er Ricardo auch die Hölle heißmachen würde. In der Höhle angekommen grollte er, mit seiner tiefen Dämonenstimme: „Was zur Hölle hast du dir bloß dabei gedacht? Sie hätte sterben können, wenn der Geist sich nicht auf den Handel eingelassen hätte.“ Zu seinem Ärger zuckte der Vampir jedoch weder schuldbewusst zusammen, noch zeigte er sonst irgendein Zeichen, dass es ihm leidtat, ganz im Gegenteil, ein Grinsen erschien auf seinem Gesicht und er erwiderte süffisant: „Ach tatsächlich? War er nicht völlig hingerissen von ihr und hat sie für seine Geliebte gehalten?“ Sandro schnappte empört nach Luft, „das hast du gewusst?“ Ricardo seufzte: „Selbstverständlich, oder dachtest du ich würde die einzige Chance auf deine und Ketarias Erlösung gefährden?“ „Aber wie konntest du wissen, dass gerade sie diese Reaktion auslösen würde?“ „Sandro mein Freund, du bist ein furchterregender Krieger und ich hoffe ein hinreißender Liebhaber, aber von mühseliger Hintergrundarbeit hast du noch nie viel gehalten. Ich hingegen tue die letzten paar Jahrhunderte kaum etwas anderes. Als der Geist
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