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Ketchuprote Wolken

Ketchuprote Wolken

Titel: Ketchuprote Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annabel Pitcher
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zähe Hühnchenfleisch.
    Es fehlten nur noch fünf Minuten bis zur Pause, als die Uhrzeit vom Display verschwand und ein Name auftauchte.
    SANDRA SANDRA SANDRA
    Ich ließ mein Handy auf den Tisch fallen, es vibrierte zweimal und schlitterte auf mein Federmäppchen zu.
    SANDRA SANDRA SANDRA
    »Alles in Ordnung, Zoe?«
    Ich zuckte zusammen. Mrs Macklin hatte etwas an die Tafel geschrieben und drehte sich jetzt um. Ein sommersprossiger Junge fing zu lachen an.
    »Sei still, Adam!«, schrie Lauren von der anderen Seite des Klassenzimmers. Wir sitzen nämlich alphabetisch geordnet, und ich verrate jetzt bestimmt nicht zu viel, Mr Harris, wenn ich sage, dass Laurens Nachname mit W beginnt und meiner mit J. Der Junge machte den Mund zu, grinste aber immer noch. Und andere stupsten sich an und deuteten auf mich.
    »Was ist los, Zoe?«, fragte Mrs Macklin und spähte über den Rand ihrer Brille. Ihre gütigen blauen Augen wirkten besorgt.
    »Alles in Ordnung«, murmelte ich.
    SANDRA SANDRA SANDRA SANDR…
    Sie hinterließ eine Nachricht auf der Mailbox. Als es klingelte, rannte ich zur Toilette, bevor Lauren mir irgendwelche Fragen stellen konnte. Mein Herz raste, als ich mich aufs Klo setzte. Allerlei Bilder wirbelten durch meinen Kopf – Polizei, Gefängnisse, orangefarbene Overalls, Gerichtssäle und die Schlagzeile SCHULDIG! auf den Titelseiten. Sandra hatte die Wahrheit über den 1. Mai herausgefunden, ganz sicher. Angst kroch mir in die Fingerspitzen und durch meine Arme in die Brust und nach oben auf die Kopfhaut, wo sie an meinen Haarwurzeln zerrte.
    »Ist da besetzt?«, rief jemand und klopfte an die Tür.
    »Ja«, rief ich und umklammerte zitternd mein Handy.
    »Dann beeil dich«, sagte das Mädchen, und ich nickte, obwohl sie mich gar nicht sehen konnte, und dann hörte ich schnell die Nachricht ab, bevor ich es mir anders überlegen konnte.
    Zuerst kam gar nichts. Lange. Ich kniff die Augen zu. Dann hörte ich Sandras Stimme, und sie war leise und rau und so zögernd, dass alle Sätze zerstückelt klangen. Sie fragte, ob ich nicht mal vorbeikommen könnte. Ich klappte ein Auge auf. Das würde uns doch beiden guttun. Ich schlug das andere Auge auf. Sie sagte, es verginge kein Tag, an dem sie sich nicht fragte, wie ich zurechtkam. Und bevor sie sich verabschiedete, sagte sie noch, es würde ihr viel bedeuten, wenn ich ab und an vorbeischauen würde.
    »Sonst … versteht uns doch niemand wirklich, oder? Die Leute … haben einfach keine Ahnung.«
    Natürlich habe ich sie nicht zurückgerufen. Ich löschte die Nachricht und verstaute mein Handy so weit unten wie möglich in meiner Schultasche, unter Tausenden von Jahren in meinem Geschichtsbuch. Dann ging ich ins Musikzimmer zu Lauren. Sie reichte mir ein Sandwich und betrachtete mich forschend, aber sie fragte nicht, weshalb ich es nicht essen mochte, sondern sagte nur, das Hühnchen sei heute noch gummiartiger als sonst.
    Zoe

1 Fiction Road Bath
    27. Oktober
    Lieber Mr Harris,
    tut mir leid, dass ich so lange nicht geschrieben habe, aber es ging mir nicht gut, und ich habe sogar die Arbeit über die Fortpflanzung der Pflanzen vermasselt. Denken Sie jetzt bloß nicht, dass ich Fragen über Tulpen beantworten musste, die es im Blumenbeet treiben, so läuft das nämlich nicht, und es ist eigentlich auch viel interessanter, jedenfalls für mich. Ich mag Biologie nämlich, und ich will nicht angeben, aber ich hätte bestimmt die volle Punktzahl gekriegt, wenn Dad nicht am Abend vor dem Test in mein Zimmer gekommen wäre.
    Er erzählte, dass er beim Gemüsestand im Supermarkt Sandra getroffen habe, und ihr seien Tränen in die Augen gestiegen, die nichts mit Zwiebeln zu tun hatten.
    »Sie würde dich so gern mal treffen«, sagte Dad, während ich in mein Bio-Buch starrte und mir wünschte, er würde den Mund halten. »Sie meinte, sie hätte dich ein paarmal angerufen, aber du wärst nie rangegangen.«
    »Dann soll sie mich eben nicht während der Schulzeit anrufen«, murmelte ich, bekam dann aber gleich ein schlechtes Gewissen. Sandra trifft schließlich keine Schuld. Ich bohrte die Spitze meines Kulis in ein Blütendiagramm und wünschte mir inständig, dass Dad verschwinden würde.
    »Sie sah schlimm aus«, fuhr Dad fort und setzte sich auf mein Bett. »Ganz entsetzlich.« Ich zuckte innerlich zusammen, weil die Schuldgefühle richtig wehtaten. »Hat furchtbar abgenommen. Ist nur noch Haut und Knochen …«
    »Schon gut! Ich hab’s kapiert!«, fauchte ich und

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