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Ketchuprote Wolken

Ketchuprote Wolken

Titel: Ketchuprote Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annabel Pitcher
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das gesamte Universum. Da gibt es glühende Sonnen und riesige Schwarze Löcher, und was ich verschuldet habe, ist nur ein mikroskopisch kleines kurzes Flimmern inmitten all dieser gewaltigen kosmischen Explosionen.
    Nach Max’ Party gab es auch eine gewaltige kosmische Explosion, in unserem Auto. Irgendwie schaffte ich es, um elf draußen zu sein. Ich fühlte mich schon wieder ziemlich nüchtern, aber der Geruch ließ sich natürlich nicht verbergen. Und es ging auch sofort los, als Mum schnüffelte. Ich weiß nicht mehr, was sie alles sagte, aber sie schrie wütend irgendwas von Ent täuschung und Vertrauen und brüllte während der ganzen Heimfahrt so herum, dass mir der Kopf wehtat. Als wir dann im Haus waren, machte Dad auch noch mit. Ich wurde ins Bett geschickt, zog mir das Kissen über den Kopf und grinste vor mich hin.
    Der Junge mit den braunen Augen. Wer um alles in der Welt war er, und wohin war er verschwunden, und würde ich ihn jemals wiedersehen? Und Max. Was würde passieren, wenn wir uns in der Schule trafen? Würde er mich küssen, hinter der Recyclingtonne vermutlich, wo die Lehrer nicht hinkamen? Ich rollte mich auf den Rücken und genoss das wunderbare Gefühl, dass es jetzt zwei Jungen gab, die sich für mich interessierten. Noch vor wenigen Stunden war da kein Einziger gewesen. Und als ich einschlief, dankte ich im Stillen meinem Großvater. Nur wegen seines Schlaganfalls hatte ich zu dieser Party gehen können, und obwohl ich nun echt Stress mit meinen Eltern hatte und vermutlich für den Rest meines Lebens Hausarrest bekommen würde, fand ich, dass ich wirklich Glück gehabt hatte, Mr Harris.
    Zoe

1 Fiction Road
Bath
    17. September
    Lieber Mr Harris,
    heute drücken die Ziegel ausnahmsweise nicht an den Beinen, weil ich mein Kissen mitgenommen habe, als ich aus dem Haus geschlichen bin. Ich habe es oben auf den Stapel gelegt und sitze jetzt recht bequem, auch wenn das Kissen ein bisschen feucht ist. Ich habe wahrscheinlich ziemlich geschwitzt wegen dieses Traums, der so real war, mit dem Regen und den Bäumen und der verschwindenden Hand. Ich nehme an, Sie kennen sich mit schlimmen Träumen aus, deshalb will ich Sie jetzt nicht damit zutexten, wie sehr mir das an die Nieren geht. Wenn die Wachen bei Ihnen das Licht ausschalten, haben Sie sicher auch Alpträume, in denen Ihre Frau ihr Geständnis macht.
    Eigentlich komisch, dass nicht Ihre Frau zum Tode verurteilt wurde. Das habe ich zu Anfang gar nicht verstehen können. Ich will Sie nicht kränken oder so, aber eine Frau zu erstechen, mit der man zehn Jahre verheiratet war, klingt schon viel schlimmer, als irgendeine Nachbarin zu erschießen, die mit einer Fleischpastete ankommt, weil Weihnachten ist. Aber in dem Artikel – den ich übrigens bei Google gefunden habe – stand etwas von einem Verbrechen aus Leidenschaft. Als sie Ihre Frau angriffen, konnten Sie nicht mehr klar denken. Sie rasten vor Wut und sahen förmlich rot, weil Ihre Frau eine Affäre hatte.
    Nach dem amerikanischen Gesetz wird ein Mord aus Wut nicht so schlimm bestraft wie ein geplanter Mord. Als Sie am nächsten Morgen die Tür nicht aufmachten, kam Ihre Nachbarin einfach so ins Haus. Das gehört sich überhaupt nicht, finde ich, aber sie hat ihre Lektion wohl gelernt, als Sie ihr das Hirn wegpusteten. Potentielle Zeugen zu töten gilt als kaltblütiges Verbrechen, und die Geschworenen fanden, dass Sie genau wussten, was Sie taten, als sie den Abzug drückten und die Fleischpastete anschließend an Ihren Hund verfütterten. Dann waren Sie drei Tage lang auf der Flucht, aber die Schuldgefühle haben Ihnen so zugesetzt, dass Sie sich schließlich freiwillig stellten.
    Manchmal denke ich, das wäre für mich vielleicht auch am besten. Seit ich wieder in der Schule bin, fällt es mir immer schwerer, die Fassade aufrechtzuerhalten. Und nun fängt seine Mutter auch noch an herumzuschnüffeln. In Englisch habe ich heimlich auf mein Handy geschaut – ja, ja, ich weiß wohl, dass ich das nicht tun sollte, aber ich wollte nur wissen, wie viel Uhr es ist, weil Lauren und ich uns in der großen Pause immer treffen. Wir kaufen uns Sandwiches und verstecken uns vor allen neugierigen Blicken in diesem Musikraum mit den Blasinstrumenten. Lauren setzt sich auf den Trompetenkoffer, und ich pflanze mich auf den Boden, lehne mich an die Wand und lege die Füße auf eine Posaune. Wir reden meist gar nicht viel, sondern meckern nur über die matschigen Gurken, die harten Tomaten und das

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