Ketchuprote Wolken
entscheiden. Deshalb malte ich mit gelbem Kloreiniger zwei Herzen in die Schüssel.
Als ich spülte, schäumte das Wasser, und genauso fühlte ich mich auch, überschäumend vor Aufregung. Ich konnte es kaum erwarten, Lauren Bericht zu erstatten, und stellte mir schon ihr Gesicht vor, wenn ich ihr den Kuss mit Max schildern würde. Vielleicht würde ich Max am nächsten Tag in der großen Pause sehen. Und den Jungen mit den braunen Augen auch. Wir würden uns über Fish & Chips verstohlen anlächeln, den Geruch von Salz und Essig und Liebe in der Nase.
Alles in allem war ich ziemlich guter Stimmung. Mum und Dad sprachen kaum mit mir, aber sie selbst redeten auch nicht miteinander. Vermutlich waren sie beide noch sauer vom Abend vorher. Dad war in der Garage und polierte den BMW , und Mum übte im Wohnzimmer mit Dot das Lippenlesen, das die Logopädin als Hausaufgabe gegeben hatte.
»Maus«, sagte Mum laut. »Maus. Maus. Maus.«
»Maul?«, gebärdete Dot.
Soph verzog das Gesicht. Sie war von Kopf bis Fuß schwarz angezogen und lag mit Skull, ihrem weißen Kaninchen, auf dem Boden, ein Mathebuch neben sich. Mum saß in einem Ledersessel und hatte Dot auf dem Schoß, die unter ihrer rosa Krone angestrengt die Stirn runzelte.
»Fast richtig«, sagte Mum, aber auf ihrer Stirn erschien eine Falte.
»Können wir jetzt aufhören?«, gebärdete Dot verdrossen und kratzte sich an der Nase.
»Bei Frage vier komm ich nicht weiter«, verkündete Soph, doch Mum rückte nur Dots Krone zurecht und zeigte ansonsten keinerlei Reaktion.
Soph hielt ihr Mathebuch hoch. Der Stein auf ihrem Stimmungsring schimmerte dunkelblau.
»Bestimme den gewichteten Mittelwert folgender Zahlen. Wieso denn gewichtet? Das versteh ich nicht …«
»Mund«, sagte Mum. Dot nagte an ihrer Unterlippe. » Mund «, wiederholte Mum und deutete auf ihren Mund, um Dot zu helfen.
»Mund?«, gebärdete Dot, und Mum jauchzte tatsächlich vor Freude.
»Gut gemacht!«, rief sie und schwenkte begeistert Dots Arme.
Dot kicherte, als Mum sie auf die Wange küsste. Soph schmiss ihr Mathebuch auf den Boden.
»Kuli?«, murmelte sie, und ich nickte.
Soph hielt mir einen roten Kuli hin. Wir hockten zwischen Mums Schuhen in dem großen Schrank im Schlafzimmer unserer Eltern, in dem wir immer Kulis rauchten und über Dinge redeten, die man nur im Dunkeln besprechen konnte. Soph saugte an ihrem blauen Kuli, als inhaliere sie, pustete Luft aus und klopfte dreimal mit dem Kuli auf Mums Sportschuh, als wolle sie Asche abklopfen. Ich saugte an dem roten Kuli und atmete langsam aus.
»Wie war die Party?«, fragte Soph. »Du warst ja so betrunken, Zo. Als du reinkamst, hattest du diesen Schluckauf. Hat sich angehört wie ein Seehund.«
Sie machte die Geräusche nach, und ich stieß sie mit dem Fuß an. »Lass das!«
Soph grinste und legte das Kinn auf die Knie. Ihre langen Haare fielen an ihren Beinen herunter. »Also, wie war’s nun?«
»Was denn?«
»Betrunken sein«, flüsterte sie. Ihre grünen Augen glitzerten.
Ich überlegte. »Mir war schwindlig.«
»Gut schwindlig oder blöd schwindlig?«
»So mittel. Zuerst war’s ganz lustig, aber dann war es furchtbar.«
»Was hast du getrunken?«
»Wodka und diesen Whisky, den der Junge mir gegeben hat.«
»Ein Junge . Hast du ihn geküsst?«
»Na klar«, sagte ich und sog überlegen an meinem Kuli.
»Wer war der Junge?«
»Heißt Max.«
»Sieht er gut aus?«
»Sehr. Und er ist total beliebt. Den mag eigentlich jeder aus der Schule.«
»Und warum hat er dann dich geküsst?«, sagte Soph grinsend.
Ich trat wieder nach ihr, beschloss dann aber, ehrlich zu sein. »Ich weiß es nicht. Er war sturzbetrunken.« Etwas in mir zog sich zusammen, doch ich versuchte, lässig zu klingen. »Wahrscheinlich erinnert er sich morgen nicht mal mehr daran. Du weißt ja, wie Jungs so sind.«
Soph ließ ihren Kuli in Mums Sportschuh fallen und spielte mit den Schnürsenkeln. »Klingt jedenfalls besser, als Mum und Dad beim Streiten zuzuhören.«
»Wegen Großvater?«
Soph nickte und band eine große Schleife. »Meinst du, er wird sterben, Zo?«
»Irgendwann auf jeden Fall.«
»Du weißt, was ich meine.«
»Er ist alt«, erwiderte ich, weil ich nichts anderes zu sagen wusste.
Soph hielt den Schuh an der Schleife fest und stupste ihn an, so dass er hin und her schwang wie ein Pendel.
»Ich finde, dass er bei uns wohnen sollte«, sagte sie. »Er sollte doch nicht allein sein, wenn er stirbt.«
»Wir haben aber kein
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