Ketchuprote Wolken
Entspann dich.« Er lächelte vorsichtig. »Ist doch keine große Sache.«
»Darüber bestimme ich«, fauchte ich. »Und du lügst auch noch. Du hast kein Wort von einem Foto gesagt.«
Er grinste und beugte sich vor. Der Geruch von Kaugummi und Aftershave stieg mir in die Nase. »Aber klar doch. Du kannst dich nur nicht daran erinnern. Ist ja wohl nicht meine Schuld, wenn du keinen Alkohol verträgst.« Dann zwinkerte er doch wahrhaftig. »Ganz ehrlich, du warst so betrunken …«
»Alle haben es gesehen«, sagte ich wutschnaubend. »Die ganze Schule. Wie kannst du es wagen? Ich meine, wer gibt dir das Recht, so was zu machen? Glaubst du, du kannst dir alles rausnehmen, weil jeder dich toll findet? Bildest du dir das tatsächlich ein?«
Max blies die Wangen auf und stieß die Luft aus. »Nee. Ich bin doch nicht blöde.«
»Oh doch, genau das bist du. Weil du meinst, du könntest dich jetzt mit Charme aus der Affäre ziehen. Als sei ich eine dumme Tusse, die sich mit einem Zwinkern vom großen Max Morgan beruhigen lässt.« Ich musterte ihn von Kopf bis Fuß. »Also bitte .«
Er raunte: »Du bist so süß, wenn du dich aufregst.« Ich grunzte wütend und wandte mich zum Gehen, doch Max packte meine Hand. »Hör mal, es war nicht meine Schuld, ja?« Ich wollte widersprechen, aber er fuhr rasch fort: »Wirklich nicht. Ich hab das Foto nur Jack geschickt. Er hat es dann an alle …«
»Aber du hast es gemacht !«, fauchte ich. » Ohne meine Zustimmung!«
Es fing heftig zu regnen an.
»Tut mir leid, okay? Ich werde es wiedergutmachen.«
Ich riss meine Hand weg. »Ach ja? Und wie?« Max’ Gesicht wurde weich. Er wollte gerade antworten, als drei seiner Freunde auf den Radschuppen zusprinteten, schon völlig durchnässt.
»Versuchst du grade, noch ein Foto zu kriegen?«, rief Jack, während er sein Rad aufschloss.
Max hielt die Hände hoch. »Ertappt!«
»Kann ich absolut verstehen, Alter. Sie sah echt gut aus!«
Max zuckte die Achseln, plötzlich wieder großspurig. »Stimmt schon. Nicht schlecht.«
Er zwinkerte mir noch mal zu, bevor er zu den anderen lief – und für heute sollte ich jetzt wohl Schluss machen, Mr Harris. Im nächsten Brief berichte ich Ihnen dann, was bei dem großen Lagerfeuer am Guy-Fawkes-Tag passiert ist, und glauben Sie mir, es wird Sie umhauen. Aber keine Sorge, Sie müssen keine Ewigkeiten auf den nächsten Teil der Geschichte warten. Es hat mir so gutgetan, Ihnen wieder zu schreiben, und vielleicht haben Sie ja auch etwas davon. Ganz ehrlich, mir tut das Herz weh, wenn ich daran denke, wie Sie einsam in Ihrer Zelle sitzen. Ich kann nur hoffen, dass ich mich irre, was den Todestrakt angeht, und dass Sie in der Zelle nebenan einen netten Nachbarn haben. Ich drück Ihnen die Daumen, dass es ein gesprächiger Vergewaltiger ist, der auch ein paar gute Witze erzählen kann.
Zoe
1 Fiction Road
Bath
3. November
Hallo, Mr Harris,
inzwischen ist die Uhr umgestellt worden, jetzt wird es eine Stunde früher dunkel, aber für uns beide spielt das ja sowieso keine Rolle, weil wir immer nur im Dunkeln miteinander reden. Ich frage mich, ob die Wachen die Uhr zurückgestellt haben. Vermutlich machen die sich gar nicht die Mühe. Für die Häftlinge spielt es wahrscheinlich keine Rolle, ob es drei oder fünf Uhr nachmittags ist oder sieben Uhr abends. Und der Wochentag ist sicher auch egal. Wenn alle Stunden des Tages gleich sind, löst sich die Zeit wohl einfach auf.
Bei mir war das leider nicht der Fall, als ich letztes Jahr nach Max’ Party Hausarrest hatte. Der September verging schon langsam, aber der Oktober kam dann gar nicht mehr vom Fleck. Nach dem Theater mit dem Foto lief in der Schule alles wieder normal. Dem blonden Jungen mit den braunen Augen war ich nicht mehr begegnet, und ein paar öde Wochen lang passierte eigentlich gar nichts, außer dass Mum und Dad sich stritten, weil Dad immer spät nach Hause kam, wenn er Großvater im Krankenhaus besuchte. Zu Anfang packte Mum sein Essen noch auf einen Teller und stellte den in die Mikrowelle, aber eines Abends schüttete sie es in den Mülleimer, und das, Mr Harris, ist ein guter Einstieg für die Fortsetzung.
TEIL VIER
»Im Regal steht eine Dose Bohnen«, sagte Mum, als Dad, die Hände in die Hüften gestemmt, in die leere Mikrowelle starrte. Er schnüffelte, und ich fragte mich, ob er das Chili con Carne roch, das wir vorher gegessen hatten und von dem Soph etwas auf dem Teppich verschüttet hatte, als sie Skull heimlich
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