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Ketchuprote Wolken

Ketchuprote Wolken

Titel: Ketchuprote Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annabel Pitcher
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weil es stimmte. Die Funken schlängelten sich über den Himmel, als wollten sie beide zuerst den Mond befruchten. Lauren machte die Bewegung mit der Hand nach. »Schwimmspermis.«
    Ein Gesicht beugte sich über uns.
    Blonde Haare. Braune Augen. Hinter seinem Kopf explodierten bunte Raketen, während mein Herz in Flammen aufging. Aaron.
    Lauren überschattete die Augen. Ich blinzelte und schaute genauer hin. Der Junge aus der Klasse über uns streckte die Hand aus und zog Lauren hoch. Ich setzte mich enttäuscht auf.
    »Ich hab nach dir gesucht«, sagte der Junge. »Lass uns am Fluss spazieren gehen.«
    Lauren hakte sich bei mir unter. »Nur wenn Zoe auch mitkommen kann.«
    »Nee, nee, geht ihr nur«, sagte ich. Plötzlich wollte ich alleine sein. Inzwischen drängten sich noch mehr Leute ums Feuer, aber Aaron und das Mädchen waren nirgendwo mehr zu sehen. Lauren betrachtete mich forschend. Ich schaute sie entschieden an. »Ehrlich. Alles gut. Ich werd sowieso in zehn Minuten von meiner Mutter abgeholt.« Der Junge zog Lauren an der Hand, und sie küsste mich auf die Wange und machte dabei ein quietschendes Geräusch an meinem Ohr.
    Die Flammen loderten jetzt beinahe laut wie Donner. Der beißende Rauch trieb mir Tränen in die Augen, und die Hitze brannte auf der Haut. Ich ging zu der Bank zurück, wo der alte Mann vor sich hin redete. Das war traurig, aber eigentlich wirkte er sehr zufrieden, als er seiner unsichtbaren Frau in allen Einzelheiten das Farbspiel des Feuerwerks beschrieb. Ich frage mich, ob Sie manchmal mit Alice reden, Mr Harris, und was Sie dann zu ihr sagen, wenn sie durch die Gitterstäbe hereingleitet und oben an der Decke schwebt. Vielleicht entschuldigen Sie sich, und ich hoffe, sie verzeiht Ihnen, denn letztendlich war es ja ihre eigene Schuld.
    Die Familien brachen jetzt auf, Paare kuschelten am Feuer, und sogar der alte Mann hatte jemanden, mit dem er reden konnte, auch wenn die Person nur in seinem Kopf existierte. Ich trottete zum Parkplatz zurück und hockte mich auf eine Mauer. In der Ferne sah ich eine Kirchturmuhr leuchten und seufzte. Zuerst war mir die Zeit davongelaufen, und jetzt hatte ich zu viel davon. Zwanzig Minuten, mit denen ich nichts mehr anfangen …
    Stimmen!
    Ein Junge. Ein Mädchen.
    Ich rutschte auf der Mauer weiter, bis ich durch einen Busch verdeckt war, und beobachtete Aaron, wie er mit dem rothaarigen Mädchen auf den Parkplatz kam. Mein Magen zog sich zusammen. Die beiden hatten einander den Arm um die Taille gelegt und gingen zu einem alten dreirädrigen Auto, blau, mit verbeultem Dach, das unter einer Laterne geparkt war. Auf dem Nummernschild stand DOR1S . Ich spähte durch die Äste des Busches. Aaron öffnete die Beifahrertür und küsste das Mädchen auf den Kopf, als sie zuerst einstieg. Mein Magen zog sich jetzt so fest zusammen, dass es keinen Platz für Hoffnung mehr darin gab.
    Sie denken bestimmt, Mr Harris, dass ich in Tränen ausgebrochen wäre oder den beiden eine Szene gemacht hätte. Tut mir echt leid, dass ich Sie enttäuschen muss, aber mein Gesicht war unbewegt und mein Körper ganz reglos. Ich zerstörte lediglich ein Spinnennetz, indem ich mit der Handkante hindurchfuhr. Die eine Hälfte blieb an der Mauer haften, die andere hing von einem Ast, und das war der einzige Hinweis darauf, dass etwas in mir sich zerstört anfühlte.
    Die Fenster des Autos beschlugen. Ich wollte nicht daran denken, was sich jetzt darin abspielte, ich meine, wir haben ja alle Titanic gesehen, aber falls Sie den Film nicht kennen, stellen Sie sich eine Hand vor, die an Glas schlägt, das feucht ist von Atem und Schweiß und Leidenschaft. Ich achtete darauf, dass man mich nicht sehen konnte, als ich von der Mauer stieg, mit steifem Rücken und schmerzenden Beinen. Alles schmerzte, und die Welt war kalt, und sogar die Sterne sahen irgendwie höhnisch aus, grellweiße Punkte, die aus all dem Schwarz hervorstachen. Als ich zu den Buden zurückging, rutschte ich auf einem Stein ab und knickte mit dem Knöchel um. Das Geräusch, das ich von mir gab, erstaunte mich selbst, weil der Knöchel nicht mal schmerzte.
    »Zoe?« Eine Gestalt kam auf mich zu, entfernte sich vom Feuer, eine schwarze Silhouette vor dem leuchtenden Rot. Ich blinzelte und erkannte Max, mit einer Bierdose in der Hand. Seit der Sache mit dem Foto hatte er immer mal wieder Blickkontakt mit mir gesucht, aber ich hatte ihn vorsätzlich übersehen. Was jetzt natürlich nicht mehr ging. Er stand direkt vor mir.

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