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Ketchuprote Wolken

Ketchuprote Wolken

Titel: Ketchuprote Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annabel Pitcher
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die Bilder und die Worte und die Lügen verschwinden lassen, von denen im nächsten Teil meiner Geschichte zum ersten Mal die Rede sein wird.
    TEIL FÜNF
    Am Tag nach der Guy-Fawkes-Nacht wartete ich auf Max’ Anruf. Meine Haare rochen noch immer nach Rauch vom Feuer, und mir war ganz schlecht vor Aufregung, und ganz ehrlich, jedes Mal, wenn mein Handy piepte, beschleunigte sich mein Herzschlag quasi von null auf hundert, so wie der Ferrari, den ich für Dad erstanden hatte. Komischerweise sprachen wir über Autos beim Mittagessen; es gab übrigens Biowürstchen und Kartoffelpüree.
    »Heute Abend fängt die neue Staffel von Top Gear an«, sagte ich zu Dad. Er liebt diese Serie über Autos. »Um neun.«
    »Super«, sagte Dad, klang aber nicht besonders begeistert. »Soll ich es jetzt machen?«, fragte er Mum.
    Sie trank einen Schluck Wasser und sagte: »Wenn du meinst.«
    Dad legte seine Gabel ab und rückte seinen Teller so zurecht, dass er genau in der Mitte des Tischsets stand. »Wir müssen euch was sagen«, gebärdete er stockend. Dot quetschte gerade eine Ketchuppfütze auf ihren Teller. Ich klopfte ihr aufs Knie und deutete auf Dad. Sie schaute schuldbewusst auf, aber als sie merkte, dass es gar nicht um sie ging, drückte sie noch fester auf die Flasche, und das rote Zeug spritzte über den ganzen Tisch.
    »Dödel«, murmelte Soph.
    »Wir müssen euch was sagen«, gebärdete Dad noch mal, ohne die Schweinerei zu beachten. »Etwas Wichtiges.«
    »Ihr müsst euch aber keine Sorgen machen«, fügte Mum hinzu, doch die tiefe Falte zwischen ihren Augenbrauen sagte etwas anderes.
    »Lasst ihr euch scheiden?«, fragte Soph. Ihre Gabel mit einem Stück Würstchen verharrte in der Luft. »Weil ihr euch so oft gestritten habt?« Mum und Dad warfen sich einen bestürzten Blick zu.
    »So oft nun auch wieder nicht«, sagte Mum.
    »Was ist los?«, gebärdete Dot, weil sie die Spannung spürte, dem Gespräch aber nicht folgen konnte. Ihre Finger waren rot vom Ketchup.
    »Mum und Dad lassen sich scheiden«, antwortete Soph, ausnahmsweise in Gebärdensprache. Dot schlug die Hände vor den Mund, und Messer und Gabel fielen klirrend auf den Tisch.
    »Sophie!«, knurrte Dad. »Das haben wir doch gar nicht gesagt!«
    »Warum lasst ihr euch scheiden?«, gebärdete Dot hastig. Ihr Gesicht war jetzt auch verschmiert. »Hat Dad eine andere Frau gesext?«
    »Was? Nein!«, antwortete Mum.
    »Wir lassen uns nicht scheiden«, sagte Dad. »Ich habe nur meinen Job verloren, das ist alles.« Mir blieb der Mund offen stehen. Über Geldprobleme wusste ich ja Bescheid, aber so etwas war noch nie vorgekommen. Dot zupfte mich am Ärmel. Der daraufhin auch rote Flecken hatte.
    »Dad hat keine Arbeit mehr«, gebärdete ich, obwohl ich es kaum glauben konnte. Dot seufzte erleichtert und griff wieder nach ihrem Besteck.
    »Bist du gefeuert worden?«, fragte Soph. »Warum denn? Hat die Kanzlei deinetwegen viel Geld verloren?«
    »Hast du deine Chefin gesext?«, gebärdete Dot.
    Dad atmete langsam aus. »Ich wurde nicht gefeuert. Meine Kanzlei hat sich mit einer anderen zusammengeschlossen, und meine Stelle wurde überflüssig.«
    »Wann kriegst du einen neuen Job?«, gebärdete Dot schnell. »Morgen? Oder übermorgen? Oder am Tag danach?«
    »Ich weiß es nicht«, gab Dad zu, während Dot Ketchup in ihr Kartoffelpüree rührte und dann kleine Häufchen am Tellerrand formte.
    »Hör auf, mit Essen zu spielen!«, gebärdete Mum.
    »Das sind Wolken«, erwiderte Dot.
    »Wolken sind nicht rot«, gebärdete Soph.
    »Doch, wenn die Sonne aufgeht«, gab Dot trotzig zurück. »Und auf meinem Teller ist Sonnenaufgang, und das Würstchen findet es wunderschön.« Sie schnitt mit dem Messer einen Grinsemund in ihr Würstchen.
    »Das ist eine Schweinerei«, gebärdete Mum.
    »Eine schöne Schweinerei«, erwiderte Dot strahlend. Sie drehte ihren Teller, damit Mum ihn besser betrachten konnte. Das Würstchen grinste die Ketchupwolken an.
    »Sehr hübsch«, sagte Mum. »Und nun sei ein liebes Mädchen und iss dein Essen.«
    Dad stand auf, um die restlichen Würstchen zu verteilen.
    »Es wird sich schon was finden. Es gibt hier jede Menge Kanzleien, und ich habe auch schon angefangen herumzutelefonieren. Wir werden vielleicht eine Zeitlang weniger Geld haben, aber wir kommen schon zurecht.«
    »Und falls nicht, könnten wir auf jeden Fall einen Teil der Finanzierung für das Haus benutzen«, schlug ich vor. Mum sah mich verblüfft an. »Einen Teil der Geldanlagen

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