Ketten der Liebe
vergangen war und sie keinen Besuch mehr von Hasdai ibn Shaprut erhalten hatten. »Hier seid Ihr also nun, die vollkommenste Liebessklavin, und doch lebt Ihr wie eine Nonne. Ich dachte, der Kalif wollte, daß Ihr glücklich seid, Herrin. Was für ein Mann ist der Arzt eigentlich? Ist er überhaupt ein richtiger Mann?«
»Hasdai ibn Shaprut ist nicht nur zu meinem Vergnügen da, Sheila«, sagte Zaynab ruhig. »Er hat viele wichtige Aufgaben am Hof. Er wird kommen, wenn er Zeit hat.«
»Der Kalif regiert al-Andalus selbst, und trotzdem hat er immer Zeit für seinen Harem übrig, Herrin«, bemerkte Sheila. »Dieser Mann hat sich keinen einzigen Augenblick gegönnt, um Eure Dienste zu genießen. Es ist eine Schande!«
Zaynab konnte ihrer Dienerin nicht widersprechen, aber sie sagte nichts weiter dazu. Egal, was passierte, Hasdai ibn Shaprut war ihr Herr. Wenn er sie nicht mit Aufmerksamkeit überschüttete, so hatten sie es wenigstens bequem, und sie waren sicher vor Zahras Mordanschlägen. Ad-al Rahman hatte gut darüber nachgedacht, bevor er sie diesem Mann geschenkt hatte. Zaynab wußte, daß der Kalif sie wirklich geliebt hatte. Er würde ihr Glück wollen, auch wenn sie nicht Zusammensein konnten. Sie war zufrieden, abzuwarten.
Schließlich kam der Arzt wieder. Zaynab begrüßte ihn kühl und höflich. Sie lud ihn ein, mit ihr Schach zu spielen, und als die Erfrischungen gereicht wurden, berichtete sie ihm, daß sie Abra ins Judenviertel geschickt hatte, um einen getrennten Satz Geschirr einzukaufen, der nur für seine Besuche verwendet würde. Das Essen, das man ihm anbot, war nicht nur köstlich, sondern bestand aus all seinen Lieblingsgerichten. Er sagte ihr nicht, daß es eigentlich auch in anderen Töpfen gekocht werden müßte als das Essen für den übrigen Haushalt. Wenn er im Palast aß, wurde er nicht so höflich behandelt. Außerdem hielt er einige der Regeln für töricht und unnötig.
»Warum besucht Ihr mich?« fragte sie schließlich.
»Die byzantinische Gesandtschaft ist aus Konstantinopel angekommen«, sagte er. »Ich hatte sehr viel damit zu tun, die Übersetzung eines wichtigen Buches vorzubereiten, das sie dem Kalifen gebracht haben.«
»Was ist das für ein Buch?« Sie lehnte sich ein wenig zu ihm hinüber.
»Der Titel heißt auf lateinisch De Materia Medica. Leider ist es in Griechisch. Ich spreche zwar Spanisch, Arabisch, Hebräisch und Latein, aber ich kann Griechisch weder lesen noch schreiben.
Kaiser Leon hat einen Übersetzer mit dem Buch geschickt. Er wird es vom Griechischen ins Lateinische übersetzen, und ich werde es vom Lateinischen in Arabische übertragen.« Er wirkte sehr aufgeregt und bemerkte noch nicht einmal, daß sie ihre kleine Hand auf seinen Arm gelegt hatte.
»Warum?« wollte sie wissen und blickte dabei in sein hübsches Gesicht.
»Warum? Zaynab, das ist das Hauptwerk der Medizin!« sagte er begeistert. »Es gibt ein Exemplar in Bagdad, aber der Kalif dort erlaubt es uns nicht, es abzuschreiben. Das bedeutet, daß jeder unserer jungen Männer, der Arzt werden möchte, zum Studium nach Bagdad reisen muß. Es ist lächerlich, daß wir so weit fahren müssen, und viele werden dadurch entmutigt. Wenn ich die De Materia Medica erst einmal übersetzt habe, werden wir hier in Cordoba unsere eigene medizinische Hochschule gründen!
Das ist schon seit Jahren der Wunsch des Kalifen.«
»Wie wunderbar!« erklärte sie. »Das wird eine schwere Aufgabe sein, Herr. Das verstehe ich. Ihr müßt lernen, Eure Freizeit mehr zu genießen. Der Kalif sagte immer, er arbeite besser und könne klarer denken, wenn er in seinen Mußestunden bei mir gewesen war.« Sie blickte in das Gesicht des Arztes hinauf. Er war wirklich sehr hübsch, und sein Mund war höchst sinnlich. Er schien genau in sein längliches Gesicht mit den hohen Wangenknochen zu passen. Sie streckte die Hand aus und fuhr neckisch mit einem Finger über seinen Mund.
Er riß vor Überraschung seine wunderbaren, dunklen Augen auf.
»Ich werde Euch beibringen, Eure Ruhestunden zu genießen, Herr«, sagte sie und warf ihm einen heißblütigen Blick zu. Sie kam noch näher. Ein halbes Lächeln lag auf ihren Lippen. Dann liebkoste sie sanft sein Gesicht mit ihrer Hand. »Warum rasiert Ihr Euch?« fragte sie ihn. Ihr Finger folgte der Linie seines Kinns. »Wie ich bemerkte, tragen hier die meisten Männer einen Bart.«
»Ich ... Ich folge nur dem Beispiel des Kalifen«, stotterte er.
»Folgt Ihr dem Kalifen in
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