Ketten der Liebe
das kein angemessenes Verhalten, Zaynab. Du solltest deinen Herrn nicht umbringen, außer durch Leidenschaft, hat man mir versichert.«
Seine goldbraunen Augen funkelten, als er versuchte, sie zu besänftigen.
»Woher wollt Ihr das wissen, Herr?« fragte sie schneidend. »Ihr habt ja noch kein einziges Mal versucht, meine Leidenschaft zu erregen.« Dann rannte sie aus dem Raum, damit er ihre Tränen der Wut nicht sehen konnte.
»So habe ich sie noch nie erlebt, Herr«, sagte Sheila.
»Die Mutterliebe ist ein sehr starkes Gefühl«, antwortete Hasdai dem Mädchen. »Ich werde noch heute versuchen, eine geeignete Sklavin als Amme und Kinderfrau für die kleine Prinzessin zu finden.
Eure Herrin ist eine gut Mutter.«
»Herr«, sagte Sheila tapfer, »darf ich offen mit Euch reden?«
Er nickte und fragte sich, was das Mädchen Wichtiges zu sagen hatte.
»Ihr müßt Euch auch um die anderen Bedürfnisse meiner Herrin kümmern, Herr. Sie ist zu jung, um ohne Leidenschaft zu leben, wo man sie doch darin ausgebildet hat. Der Kalif schenkte sie Euch, weil er glaubte, Ihr würdet sie beschützen und glücklich machen.«
Hasdai ibn Shaprut war verblüfft über ihre Worte, obwohl sein Gesicht eine freundliche Maske blieb.
Er hatte gedacht, nur jüdische Frauen redeten so unverblümt. Offensichtlich hatte er sich geirrt. »Eure Herrin geht es immer noch nicht gut genug für solche Anstrengungen. Mit der Zeit wird sie natürlich wieder bereit dafür sein, das ist mir schon klar«, sagte er. Dann verabschiedete er sich mit einer kleinen Verbeugung.
Sheila dachte nicht weiter darüber nach, denn sie hatte gesagt, was sie sagen wollte. Wenn es Zaynab wieder gut genug ging, würde der Arzt bestimmt Zaynabs Liebhaber werden. In der Zwischenzeit mußten sie sich in ihrem neuen Heim einleben. Es lag zwei Meilen außerhalb Cordobas. Ein schmaler Weg führte von der Hauptstraße ab und zwischen gekalkten Mauern hindurch. Es gab auch ein Wachhaus mit einem Torwächter.
Das Haus war traditionell um einen gefliesten Hof herum gebaut. In der Mitte des Innenhofes stand ein gestufter Brunnen, dessen Wasser in einen Teich mit Wasserlilien und Goldfischen floß. Dicke Vasen standen im Portikus des Hofes herum. In ihnen wuchsen Gardenien, deren schwerer Duft bei warmen Wetter die Luft parfümieren würde. Hinter dem Haus gab es einen Obstgarten, der sich bis zu einer Klippe über dem Fluß erstreckte. Rechts und links davon waren Weinberge.
Das Haus war geräumig. Im Erdgeschoß befanden sich die Tagesräume, die Gemächer der Bediensteten, ein Lesezimmer und die Küche. Im ersten Stock waren einige große Schlafgemächer und ein großes Bad, das vollkommen gekachelt war. Im ganzen Haus standen wunderschöne und vertraute Möbel, Teppiche lagen auf den polierten Holzfußböden und Wandteppiche schmückten die Wände. Ja, man hatte Zaynabs gesamte Möbel aus dem Hof der grünen Säulen hierher gebracht. Der Kalif hatte sichergestellt, daß seine geliebte Zaynab es immer bequem haben würde. Sie wußte es nicht, aber Abd-al Rahman hatte in ihrem Namen fünfzigtausend Golddinare bei Hasdai ibn Shapruts drittem Cousin hinterlegt, der Goldschmied war.
Hasdai ibn Shaprut kam jeden Tag, um Zaynabs Gesundheit zu überwachen, aber darüber hinaus schien er kein Interesse an ihr zu haben. Im Augenblick war das Zaynab nicht so wichtig. Alle ihre Aufmerksamkeit richtete sich auf die Rückkehr ihrer Tochter. Als sie schließlich fast einen Monat lang von ihrer Tochter getrennt gewesen war, erschien der Arzt eines Nachmittags mit Moraima und einem unscheinbaren Mädchen, die er als Abra vorstellte.
»Ihr Mann ist bei einem Unfall ums Leben gekommen, und ihr Kind war eine Totgeburt. Sie hat etwas gelitten, aber Rebekah hat mir versichert, daß sie gesund ist, gehorsam und bei klarem Verstand.«
»Warum ist ihr Kind gestorben?« wollte Zaynab wissen, denn sie war in erster Linie um ihr eigenes Kind besorgt.
»Es wurde von seiner eigenen Nabelschnur erwürgt«, sagte er ohne Umschweife. »Sonst war es ein völlig gesunder Junge. Abra hat die junge Prinzessin nun schon seit einer Woche gestillt. Wie ihr seht, ist sie gesund und entwickelt sich gut.«
Zaynab nahm der Amme ihre Tochter ab. Sie hielt das Baby im Arm, lächelte das kleine Gesicht an und sprach leise in ihrer Muttersprache mit ihm. »Was für ein feines Mäuschen du bist, meine kleine Süße. Dein Papa hat uns weggeschickt, aber jetzt habe ich dich wieder. Wir werden schon zurechtkommen,
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