Ketten der Liebe
tief und fest. Die Männer ritten in einer ersten Zurschaustellung von Stärke vor die Tore der Stadt. Er war sich sicher, daß Ali Hassans Spione zuschauten. Man hatte sich auf ein Katz-und-Maus-Spiel mit dem gefährlichen Banditen eingelassen.
Fast ein Monat war vergangen, als Hasdai Zaynab aufsuchte. »Wir werden unser Lager nun in den Hügeln aufschlagen, um zu sehen, ob wir Ali Hassan aus seinem Versteck hervorlocken können. Er ist ständig in Bewegung, und unsere Spione können ihm nicht immer folgen. Der Prinz ist der Meinung, es sei besser, wenn wir ihn dazu bringen, auf uns zuzukommen.«
»Gibt es irgendeine Nachricht von Iniga?« fragte Zaynab. »Ich fürchte nicht«, erwiderte der Nasi. »Sie ist wahrscheinlich tot, und es ist auch besser, wenn dem so ist, meine Liebe.«
Zaynab biß die Zähne zusammen und schwieg, aber beinahe wäre ihr eine Antwort von der Zunge geglitten. Iniga konnte nicht tot sein! Wenn sie sie fänden, würde sie alles in Ordnung bringen. So hätte Karim zwar nicht den Rest der Familie, aber doch zumindest seine Schwester zurück. Er würde darüber sehr glücklich sein, egal, was die anderen sagten.
Die Männer brachen in die Hügel auf und ließen Zaynab und Sheila im Palast zurück. Alle paar Tage würde ein Bote mit einem Schreiben von Hasdai ibn Shaprut eintreffen, das sie über den Fortschritt der Mission, die im Augenblick nicht recht vorankam, unterrichten würde. Man hatte nicht das geringste Anzeichen von Ali Hassan, seinem Lager oder seinen Männern. Trotzdem wollte man verharren, bis der Bandit aus seinem Versteck hervorkäme, was er - wie sie vermuteten - früher oder später auch tun würde. Sie würden ihn erwarten.
An einem Nachmittag im Spätsommer gingen die beiden jungen Frauen im hinteren Teil der Gärten spazieren, als plötzlich ein halbes Dutzend Männer aus den Büschen hervorsprang und sie überraschte.
Sheila schob sich mit verblüffendem Weitblick an ihnen vorbei und rannte so schnell sie konnte zum Portikus, wobei sie sich die Lunge nach Mustafa und den Wachen aus dem Leib schrie. Zaynab hingegen war nicht so schnell. Sie wurde in kürzester Zeit geknebelt und durch das kleine Gartentor fortgeführt, das Karim immer benutzt hatte. Einer der Räuber hievte sie auf ein Pferd, und sie galoppierten die Straße hinunter. Sie entkamen schließlich durch das Stadttor, bevor Sheilas Schreie Hilfe brachten.
Zaynab war kein Dummkopf. Auch wenn Karim und Hasdai es noch nicht wußten: Ihr war klar, daß ihre Manöver in den Hügeln sehr wohl Ali Hassans Aufmerksamkeit erregt hatten. Dies war nun seine Antwort. Sie machte sich nicht die Mühe, sich gegen ihre Entführer zur Wehr zu setzen. Ihre Lage war bereits unangenehm genug. Sollte sie während des Ritts vom Pferd fallen, hätte sie sich möglicherweise schwere Verletzungen zugezogen. Sie blickte in das Gesicht des Reiters, aber es war verschleiert. »Wer seid Ihr?« fragte sie ihn auf arabisch in der Hoffnung, ihre Worte würden nicht von Wind verschlungen.
»Ali Hassan«, sagte er knapp, ohne noch etwas hinzuzufügen.
Zaynab sah sich beinahe gezwungen, den Wagemut des Mannes zu bewundern. Es war ein kühner Schritt gewesen, in die Gärten des Prinzen von Malina einzudringen und die 369
Liebessklavin des Vertreters des Kalifen zu rauben. Aber nun würde sie wenigstens erfahren, ob Iniga noch am Leben war. Und die Saqalibah des Kalifen würde das Lager Ali Hassans sicherlich bald ausfindig machen. Sie sah, wie Menschen auf den Feldern, die ihren Reiseweg säumten, sie mit offenem Mund anstarrten, als sie an ihnen vorbei galoppierten. Jemand würde den Behörden schon Bericht erstatten. Sie dachte bei sich, daß sie vielleicht Furcht empfinden sollte, aber das tat sie nicht.
Nach einigen äußerst beschwerlichen Stunden, während derer Zaynab sich die hervorstechenden Merkmale der wechselnden Landschaften einprägte, erreichten sie ein Lager tief in dem höchsten der Gebirgsausläufer. Die schwarzen Zelte waren sorgsam zwischen den Felsen ausgeschlagen worden, wo sie schwierig zu entdecken waren. Ali Hassan brachte sein Pferd unter dem Vordach des größten Zeltes zum Stehen. Er lud seine Gefangene auf äußerst grobe Weise von ihrem unsicheren Hochsitz auf dem Rücken des Hengstes ab.
Glücklicherweise gelang es ihr, auf den Füßen zu landen, obwohl der Ruck, der auf ihre Knie wirkte, sie beinahe zum Fallen gebracht hätte. Sie zwang sich, aufrecht zu stehen. Ruhig strich sie ihr vom Wind zerzaustes
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