Ketten der Liebe
weiß ich«, sagte der Nasi und lachte dann sanft. »Ich konnte zwar nicht verstehen, was ihr miteinander spracht, weil ich im Schatten der Vorhänge blieb, aber dafür konnte ich die Ohrfeige, die du ihm gabst, um so besser hören, auch vom anderen Ende des Gartens aus. Doch dann küßte er dich, Zaynab, und soviel ich sehen konnte, wehrtest du dich nicht dagegen. Du bist in seinen Armen geradeso geschmolzen, als ob du von einer langen und anstrengenden Reise schließlich nach Hause zurückgekehrt seiest. In diesem Augenblick begriff ich, daß nicht nur Karim al Malina dich liebte, sondern du, Zaynab, auch ihn. Die Szene war so ergreifend, daß mein Herz für euch beide brach.«
»Ich habe Euch niemals verraten, Hasdai«, versicherte sie ihm.
»Das ist mir bewußt, meine Liebe«, entgegnete er ihr. »Ihr beide seid von solch einem Anstandsgefühl beseelt, daß es mir schwerfällt zu glauben, daß es so etwas überhaupt gibt, obwohl ich es mit eigenen Augen gesehen habe. Ich fürchte, ich bin inmitten der Oberschicht von al-Andalus und der sie umgebenden Pracht lebensmüde und zynisch geworden, Zaynab, daß solch eine einfache Sache wie Treue mich in Erstaunen versetzt.« Er nahm ihre Hände in die seinen und rieb daran, damit das Blut in sie zurückströmte, denn sie waren eiskalt. Das war auch kein Wunder, dachte er, angesichts des Schocks, den sie erlitten hatte.
»Ich sagte dir bereits, Zaynab, daß ich es nicht erlauben würde, daß du dein Leben wegwirfst. Wenn wir nach Cordoba zurückgekehrt wären und alles wie bei unserer Abreise vorgefunden hätten, hätte ich die Dinge gern gelassen, wie sie sind. Denn, um offen zu sprechen, ich weiß nicht nur deinen Körper, sondern auch deine Gesellschaft zu schätzen. Du bist die perfekte Gefährtin für mich. Aber leider hat das Schicksal es anders gewollt. Unglücklicherweise kann ich dir die Dinge, die du dir von Herzen wünschst, nicht geben, Zaynab. Ich begreife zwar, daß du Moraima niemals vergessen wirst, aber du brauchst andere Kinder, einen Haushalt, den du führen und einen Ehemann, mit dem du dein Leben teilen kannst. Ich kann dieser Mann nicht sein. Ich glaube, niemand weiß besser als du, meine Liebe, wo meine Pflichten liegen.« Als sie über seine Worte lächelte, sah er Hoffnung für sie.
»Eine Unmenge Arbeit hat sich während der vier Monate unserer Abwesenheit angehäuft. Ich muß mich darum kümmern, denn je schneller alles abgearbeitet ist, desto schneller bekommen wir unsere medizinische Hochschule in Cordoba. Ich habe keine Zeit, um dir gut zuzureden und aus deinem Kummer herauszuhelfen, und selbst wenn ich sie hätte, was würde für dich übrigbleiben? Sheila ist verheiratet und nicht mehr in deinem Dienst. Dein Kind ist tot. Du bist durch Sitte und Anstand gezwungen, im Haus zu verweilen, ohne irgend etwas tun zu können und ohne irgend jemanden zu haben, für den du sorgen könntest. Das einzige, was dir bleibt,
ist das Warten auf gelegentliche Besuche eines überarbeiteten Beamten. Weder der Kalif noch ich wünschen der Frau, die uns beiden soviel Vergnügen und Glück gebracht hat, ein solches Leben. Da du den Prinzen von Malina liebst und er dich, ist die Lösung recht einfach. Du bist bereits eine freie Frau, Zaynab, denn ich bin, bevor ich hierher kam, zum obersten Rabbi von Cordoba gegangen und habe die Papiere, die mein Sekretär vorbereitet hatte, unterschrieben. Da ich Jude bin und du mir gehörtest, war in diesem Fall auch die Zivilbehörde jüdisch. Der Kalif hat bereits einen Brief an Karim al Malina geschickt, der ihn davon in Kenntnis setzt, daß man eine Braut für ihn ausgewählt hat, die in Kürze erscheinen wird. Ich habe dir eine recht großzügige Mitgift zusammengestellt, meine Liebe. Du solltest also dein Leben wieder in die Hand nehmen, Zaynab, denn offensichtlich wirst du wie in den Kindermärchen glücklich weiterleben bis ans Ende deiner Tage.«
Sie hatte ihm ruhig zugehört und seine Worte verwundert aufgenommen. Endlich hatte er zu sprechen aufgehört, und. ihre Gedanken waren wirr. Karim! Sie würde Karims Frau werden! Es war unglaublich! Zaynab brach zur Überraschung von Hasdai ibn Shaprut in Tränen aus.
»Was ist los?« rief er.
»Ich bin so glücklich«, antwortete sie schluchzend.
»Ah«, erwiderte er. Er hatte seine Mutter und seine Schwestern auf diese irrationale Weise weinen sehen. »Dann bist du mit dem Schicksal, das der Kalif und ich für dich bestimmt haben, zufrieden, meine Liebe?«
»Ja!
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