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Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe

Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe

Titel: Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Mania
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10. Mai 1907 in Hamburg droht in einem Tumult zu enden. Das Motto der Tagung lautet «Radioaktivität und Atomzerfallshypothese» und ist geeignet, die Anwesenden in Befürworter und unversöhnliche Gegner zu spalten. Vor allem die älteren Herren stehen diesem neuen Zweig der physikalischen Chemie schon fast feindselig gegenüber. Die Revolution hat sie verunsichert. Schließlich wird das Fundament der Chemie, die Lehre von der Unwandelbarkeit und Undurchdringlichkeit der Elemente, durch die bloße Existenz radioaktiver Stoffe gründlich erschüttert. Die Skeptiker wollen Radium nicht als ein eigenständiges chemisches Element anerkennen und missbilligen den Status von Radon als Edelgas. Und entsprechend gereizt reagieren sie nun auf die meist noch recht jungen, aber exzellent informierten und überzeugend argumentierenden Anhänger der Zerfallstheorie von Rutherford und Soddy.
    Im Mittelpunkt der turbulenten Debatte steht ein 28-jähriger Doktor der Chemie, dessen Antrag auf Habilitation als Privatdozent gerade geprüft wird. Leidenschaftlich verteidigt er die neuesten Erkenntnisse der internationalen Forschung. Er kann beeindruckende Details über die Versuche erzählen, die nach allen Regeln der chemischen Kunst bewiesen haben, dass Radon sich weder in eine vorübergehende, noch in eine feste Verbindung zwingen lässt. Was als eindeutiger Nachweis seiner Edelgasnatur gilt. Immerhin hat der junge Mann bei William Ramsay in London studiert, der die Edelgase Argon, Krypton und Xenon entdeckt hat. Einigen Professoren der älteren Generation klingt die Stimme des Ramsay-Schülers eine Spur zu selbstbewusst und respektlos. Sie empfinden seinen schnörkellosen Widerspruch als Anmaßung. Was das denn für einer sei, will jemand wissen. «Das ist so ein anglisierter Berliner», spottet ein anderer [Hah 1 :58].
    Geboren ist Otto Hahn, dieser anglisierte Berliner, allerdings in Frankfurt am Main. Der jüngste Sohn eines wohlhabenden Glasfabrikanten zeigt zu Beginn seines Chemiestudiums in Marburg wenig Ehrgeiz. Nach der ersten frustrierenden Mathematikvorlesung ist dieses Fach für ihn bereits gestorben. Mit deutlich größerem Stehvermögen absolviert er die komplexen akademischen Trinkübungen. Eine Zeit lang antwortet sein Vater auf Fragen nach den Fortschritten seines Sprösslings ganz ungeniert, Ottos Hauptinteresse gelte wohl dem Bier. Dennoch besteht er seine Doktorprüfung mit der Note «magna cum laude». Zum Forscher fühlt er sich nicht berufen. Ihm schwebt eine Stellung als Industriechemiker vor. Sein Doktorvater rät ihm zu einem Auslandsaufenthalt, da er mit Fremdsprachenkenntnissen in der mächtig expandierenden deutschen Chemiebranche seine Aufstiegschancen verbessern könne. Und so kommt Otto Hahn im Oktober 1904 in das Institut von William Ramsay am University College London. Mit einer seltsam passiven Grundhaltung bittet er Ramsay um eine Aufgabe. Der wirft ihn sofort ins kalte Wasser. Radioaktivität? Nein, davon habe er während seines Studiums in Marburg und München nie etwas gehört.
    Ramsay hatte gerade fünf Zentner des hochradioaktiven, Thorium enthaltenden Minerals Thorianit herbeischaffen lassen, die inzwischen auf 100 Gramm Bariumsalz geschrumpft sind. Ramsay weist seinem deutschen Assistenten nun die Aufgabe zu, aus diesem Stoff die hochgerechneten 10 Milligramm Radium herauszulösen. Der Novize Otto Hahn bereitet sich gründlich auf seine Bewährungsprobe vor, studiert die noch übersichtliche Fachliteratur, hört Ramsays Vorlesungen und macht sich dann mit der Sorgfalt und scharfen Beobachtungsgabe, die ihn künftig auszeichnen wird, an die Arbeit. Von Anfang an begleitet ihn das Glück des Tüchtigen. Schon bald hat er sich in ein ähnliches Erfahrungsmuster manövriert wie Marie Curie, als die Pechblende nach der Abtrennung des Urans noch Strahlung abgab und sie ein neues Element entdeckte. Nachdem Otto Hahn das Radium von Thorianitessenz abgeschieden hat, bleiben die Rückstände weiterhin radioaktiv. Die Intensität der Strahlung ist aber mit keinem der inzwischen bekannten radioaktiven Elemente vergleichbar. Als er nach Versuchswiederholungen und Rückversicherungen ein durch Unerfahrenheit verursachtes Fehlurteil ausschließen kann, nennt er mit dem berechtigten Stolz des Entdeckers das neue radioaktive Element Radiothor. Es strahlt 250   000 Mal stärker als Thorium. Hier werden sicheres Gespür und Kühnheit, etwas handwerklich Neues auszuprobieren, belohnt. Institutsleiter

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