Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe
Metallatom heraus. Die verfügbare Energie ist nicht von der Intensität oder Helligkeit des Lichts abhängig, wie es die klassische Theorie fordert, sondern allein von dessen Frequenz. Denn die experimentellen Daten lassen eindeutig erkennen: Je höher die Frequenz, umso mehr Energie wird vom Licht auf die Elektronen übertragen. Und an dieser Stelle kommt auch plötzlich Plancks Formel zum Vorschein, in der ja die Energie von der Lichtfrequenz bestimmt wird.
Um diese Verhältnisse besser zu verstehen, schlägt Einstein jetzt vor, das klassische Konzept der ausschließlichen Wellennatur des Lichts zu überdenken. Wird Licht von einem Spiegel reflektiert oder von einer Wasseroberfläche gebrochen, ist es als Welle zu betrachten. Tauscht das Licht jedoch Energie mit Metallatomen aus, sollte man es als Teilchen verstehen. Und diese Lichtteilchen seien identisch mit Plancks Quanten, diesen scharf begrenzten Energieportionen, sie seien sozusagen «Lichtquanten», die – allerdings entgegen Plancks eigener Auffassung – tatsächlich eine physikalische Wirklichkeit darstellen. Sie schwirren wie unvorstellbar kleine Projektile durch den Raum und haben die Kraft, Elektronen aus Metallatomen herauszuschlagen. In letzter Konsequenz bringt Einsteins Lichtquantenhypothese das Theoriegebäude der klassischen Physik ins Wanken. Was Planck nur zaghaft, mit tiefstem Bedauern und in der Hoffnung auf eine künftige Sanierung angesägt hat, das lässt jetzt der inzwischen zum technischen Experten II. Klasse beförderte Angestellte des Berner Patentamts geradezu lustvoll und mit großem Getöse zusammenbrechen. Seine aparte These lautet: Das Licht kann sowohl Welle als auch Teilchen sein.
Aus Plancks mathematischem Trick, aus seiner bloßen Hilfsgröße «h», ist eine atomare Realität geworden. Wenn sie vorerst auch nur als exquisite Idee im Naturschutzgebiet impulsfreudiger Einstein’scher Synapsenensembles zu bestaunen ist. Denn kaum jemand bringt den Mut auf, den gewagten Standpunkt zu unterstützen, den der unabhängige Geist aus Bern da formuliert hat. Selbst Quantenerfinder Max Planck hält sich vorerst bedeckt. Das mutet paradox an, ist doch in Einsteins Deutung des photoelektrischen Effekts Plancks Energieformel E = hν unübersehbar aufgeblitzt. Das Zeichen ν, der griechische Buchstabe Ny, steht hier für die Lichtfrequenz.
Ernest Rutherford hat sich von einem Bild aus den Weiten des Sonnensystems für die Struktur der winzigsten Materieeinheit inspirieren lassen. Ähnlich wie der Planet Saturn von Ringen umkreist wird, sieht er die negativ geladenen Elektronen um den positiv geladenen Atomkern rotieren. Die These ist zwar durch eine ausreichende Menge experimenteller Daten abgesichert, aber sie stimmt wieder einmal nicht mit der klassischen Physik überein. Denn nach den Maxwell’schen Gesetzen hätten die um den Kern sausenden Elektronen in weniger als einem Wimpernschlag bereits ihre gesamte Energie abgestrahlt und wären in den Kern gestürzt. Doch auf diesen Fluchtpunkt könnten sich die ausgebrannten Elektronen nicht verlassen, weil die positiv geladenen Kernteilchen, nunmehr ohne ein negatives Gegenüber in ihrem Wirkungsbereich, sich gegenseitig abstoßen würden, sodass der Kern selbst auseinanderfiele. Aber Atome zeichnen sich doch gerade durch eine erstaunliche Stabilität aus. Rutherford ist sich des theoretischen Dilemmas bewusst. Seine Vorstellung vom winzigen Atomkern, der Elektronenhülle und viel leerem Raum dazwischen muss im Prinzip richtig sein. Aber er selbst wagt es nicht, die einzig mögliche Schlussfolgerung zu ziehen: Beim Atom versagt die klassische elektromagnetische Theorie. Hier müssen andere Gesetze gelten.
Universität Cambridge, Trinity College: Der Traum eines jeden jungen Physikers. Newton, Maxwell und Lord Rayleigh haben hier gearbeitet und die Welt verändert. 1911 heißt der Lehrstuhlinhaber und Leiter des Cavendish-Labors Joseph John Thomson. Er gehört zu den angesehensten lebenden Physikern. 1897 hat er das Elektron als Bestandteil des Atoms nachgewiesen und eine eigene Atomtheorie entwickelt. Sie ist als «Rosinenkuchen»-Modell bekannt geworden. Thomson ist überzeugt, dass die Masse gleichmäßig im ganzen Atom verteilt ist und die Elektronen wie Rosinen im Kuchenteig in die Masse eingestreut sind.
Niels Bohr, ein 27-jähriger promovierter Physiker aus Kopenhagen, ist mit viel Selbstbewusstsein und der blauäugigen Absicht hierher gekommen, um mit Thomson über
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