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Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe

Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe

Titel: Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Mania
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strahlenden Licht erscheinen. Vor gerade einmal fünf Wochen hat er dem schwedischen König noch Ausonium und Hesperium als die ersten, von Menschen erzeugten Elemente angepriesen. Und nun sollen diese «Transurane» nach den Berliner Befunden lediglich Spaltfragmente des Urans sein? Fermis Nobelpreisrede soll gerade in Druck gehen. Also muss er wenigstens mit einer Fußnote reagieren.
    Natürlich wurmt es ihn, bei seinen historischen Versuchen die Kernspaltung übersehen zu haben. Die Fehleranalyse lässt nicht lange auf sich warten. Ihm und seinen Mitarbeitern ist die Entdeckung versagt geblieben, weil sie eine dünne Aluminiumfolie zwischen Uranpräparat und Zählwerk angebracht hatten. Sie sollte die natürliche Radioaktivität des Urans nicht bis zum Zähler durchdringen lassen. Aber die Folie sorgte auch dafür, dass die Spaltfragmente vor dem Detektor abgefangen wurden.
    Doch nicht nur Fermi ist bestürzt, dass ihm so knapp eine bedeutende Entdeckung entgegangen ist. An jenem 16. Januar nämlich, als Niels Bohr in New York landet, versinkt Frédéric Joliot in Schockstarre. Ein Exemplar der Zeitschrift Die Naturwissenschaften mit Hahns Artikel ist gerade in seinem Pariser Labor eingetroffen. Der Direktor schließt sich ein und ist tagelang nicht zu sprechen [Rho:268]. Noch im Herbst 1938 hatte Irène Joliot-Curie ihrem jugoslawischen Mitarbeiter Pavel Savitch gegenüber im Scherz behauptet, wäre der Gedanke nicht so absurd, könnte man den Eindruck gewinnen, es nach der Uranbestrahlung mit zwei leichteren Kernen zu tun zu haben. Wie schon 1932, als James Chadwick ihnen die Entdeckung des Neutrons vor der Nase weggeschnappt hat, stehen die Joliots auch jetzt wieder mit leeren Händen da. Bei der Analyse des von Hahn süffisant «Curiekörper» genannten Bestrahlungsprodukts sind sie schon auf der richtigen Spur gewesen, als sie ihm «lanthanähnliche Eigenschaften» zuschrieben. Etwas mehr Mut, einen Schritt weiter gedacht: Vielleicht hätten sie dann tatsächlich das Element Lanthan mit der Kernladungszahl 57 – ein direkter Nachbar des Bariums im periodischen System – als Spaltprodukt des Urans identifizieren können.

Kapitel 7
    WETTRÜSTEN
    Am späten Abend des 25. Januar 1939 führt der von Bohr «ergriffene» Herbert Anderson ein Experiment im Physikinstitut an der Columbia University im Zentrum Manhattans durch, das er gemeinsam mit Fermi entworfen hat. Im Gegensatz zu der verzwickten und zeitaufwändigen chemischen Analyse mit Giften und Salzsäure, wie sie Hahn und Straßmann nur deshalb abliefern konnten, weil sie zur Weltspitze in ihrem Fach gehören, soll sich die Kernspaltung bei Andersons Versuchsanordnung mühelos von einem Bildschirm ablesen lassen. Sein Strahlungsdetektor ist eine kleine Kiste, in der sich zwei elektrisch geladene Metallplatten und eine uranbeschichtete Folie befinden. Außerhalb der Kammer strahlt eine Neutronenquelle – das bewährte Radon-Beryllium-Gemisch. Wenn die Neutronen nun die Urankerne tatsächlich spalten sollten, würden die geladenen Spaltfragmente die Luftatome im Detektor elektrisieren. Sie sammelten sich dann an den Metallplatten, die über einen Verstärker an ein Oszilloskop angeschlossen sind. Anderson weiß, dass die beim natürlichen radioaktiven Zerfall aus dem Uran abgefeuerten Alphateilchen im waagrecht fließenden grünen Strahl des Oszilloskops gelegentlich eine senkrechte Auslenkung von zwei bis vier Millimetern Länge verursachen. Eine veritable Urankernspaltung aber müsste auf dem winzigen Bildschirm eigentlich eine deutlich längere grüne Auslenkung erzeugen.
    Fermi selbst ist ausgerechnet an diesem Abend bereits in Washington, wo Bohr am nächsten Nachmittag den Fünften Kongress über theoretische Physik eröffnen wird und er selbst den zweiten Vortrag des Tages halten soll. An diesem 26. Januar stellt Niels Bohr den aus ganz Amerika angereisten Kollegen das Phänomen der Kernspaltung nun auch offiziell vor und macht dabei seine Zuhörer auf die Erstinterpreten Lise Meitner und Otto Frisch aufmerksam. Die Reaktionen der noch nicht Eingeweihten reichen von ungläubigem Staunen bis zu spontaner intuitiver Zustimmung. Noch während der ersten Diskussion trifft ein Telegramm aus Paris ein, in dem Frédéric Joliot mitteilt, er habe die Versuche von Hahn und Straßmann wiederholt und die Kernspaltung experimentell bestätigt. Unterdessen führt in New York ein Missverständnis zwischen Herbert Anderson und seinem Abteilungsleiter dazu, dass

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