Ketzer
gesperrt werden, bis das örtliche Gericht tagt.«
»Welche Art von Aufwiegelung hatte er denn betrieben?«
»Dazu komme ich noch. Nur nicht so ungeduldig!«, knurrte Cobbett. »Nun, in diesem Fall hat man ihn des Handels mit aufrührerischen Büchern überführt – papistischen Büchern, die hier nicht gedruckt werden dürfen. Hat sie illegal auf dem Seeweg aus Frankreich und den Niederlanden eingeschmuggelt. Es heißt, er hätte flämisches Blut in den Adern, aber das kann bloßes Gerede sein, und auf Gerede gebe ich nichts.«
»Natürlich nicht.« Ich nickte ernst.
»Niemals. Na ja, deswegen wurde er verhaftet, und ein paar Zeugen meldeten sich und sagten aus, er habe sich in verräterischer Weise über die Königin geäußert. Doch während des Prozesses ereigneten sich schreckliche Dinge. Er wurde in die Shire Hall vor den Gefängnismauern gebracht, wo er zusammen mit den anderen Gefangenen vom Lord High Sheriff und dem Lord Chief Baron abgeurteilt werden sollte. Natürlich wurde er für schuldig befunden, und in dem Moment, wo das Urteil verkündet wurde, wurde der Gerichtssaal von dem widerwärtigsten Geruch erfüllt, den man sich nur vorstellen kann. Jeder im Saal begann zu würgen und meinte, er müsse ersticken.«
Er hielt erneut inne, um sich eine Erfrischung zu genehmigen, während ich ungeduldig auf meinem Stuhl herumrutschte.
»Und dann?«
»Tja, Ihr werdet es kaum glauben, ich jedoch kenne Leute, die es mit ihren eigenen Augen gesehen haben, Doktor Bruno«, flüsterte Cobbett, von seiner Geschichte sichtlich hingerissen. »Jeder der Geschworenen starb innerhalb weniger Tage – und nicht nur sie, sondern auch jeder andere Mann im Gerichtssaal. Der Sheriff, der Baron, die Sergeanten, alle waren sie tot, bevor eine Woche verstrichen war. Dreihundert Menschen starben innerhalb eines Monats in Oxford, dann war der Spuk so schnell vorbei, wie er begonnen hatte. Aber das Seltsamste kommt noch.« Er beugte sich so weit vor, dass sein Kinn fast ins Bier
eintauchte. »Nicht einer der Gefangenen starb, und auch keine der Frauen und kein einziges Kind, die dem Schwurgericht beiwohnten! Deshalb könnt Ihr mir nicht erzählen, dass es sich dabei um eine natürliche Seuche gehandelt hat.«
»Ihr meint, es wäre ein Fluch gewesen?«
»Der Fluch des Rowland Jenkes«, hauchte Cobbett ehrfürchtig. »Solange er im Gefängnis auf seinen Prozess wartete, gestattete man ihm, in Begleitung eines Wärters auszugehen. Es heißt, Jenkes hätte einen Apotheker aufgesucht und ihm eine Liste verschiedener Kräuter gezeigt. Dem Apotheker fiel auf, dass alle hochgradig giftig waren, und er fragte, wozu er sie benötigte. Jenkes erwiderte, er wolle verhindern, dass die Ratten während seiner Kerkerhaft die Bücher in seinem Laden annagten. Wie dem auch sei, er bekam, was er wollte, und später wurde gemunkelt, er hätte einen Docht mit diesem Giftgebräu getränkt und ihn im Moment seiner Verurteilung in Brand gesetzt.«
»Wo sollte ein Gefangener im Gerichtssaal wohl Zunderbüchse und Feuerstein am Leib verbergen?«, gab ich zu bedenken. »Vermutlich hatte einer der Gefangenen einfach nur Flecktyphus eingeschleppt.«
Cobbett wirkte sichtlich enttäuscht, weil ich versuchte, seine Legende zu entzaubern.
»Das weiß ich natürlich nicht genau, Sir. Ich weiß nur, dass jeder gute Christenmensch die Straßenseite wechselt, wenn er in dieser Stadt Rowland Jenkes begegnet, und wenn Ihr wisst, was für Euch gut ist, tut Ihr dasselbe.«
»Was ist mit den aufrührerischen Büchern? Handelt er immer noch damit?«
»Wer weiß schon genau, was er so treibt, Sir – ich sagte doch, dass man ihm besser aus dem Weg geht. Ich möchte zwar behaupten, dass er in alle möglichen Verbrechen verstrickt ist, aber wer wagt jetzt schon noch, ihn vor Gericht zu bringen?«
Er schenkte sich Bier nach und machte anstandshalber Anstalten, ebenso meinen Becher aufs Neue füllen zu wollen, grinste aber erfreut, als ich ablehnte.
»Wie sah denn seine Strafe aus?«, erkundigte ich mich neugierig.
»Er wurde mit den Ohren an den Pranger genagelt«, gab Cobbett genüsslich zur Antwort. »Und wisst Ihr, was er dann getan hat?«
Ich konnte es mir denken, wollte jedoch seiner Geschichte nicht vorgreifen, deshalb schüttelte ich den Kopf und setzte eine erwartungsvolle Miene auf.
»Er blieb eine geschlagene Stunde am Pranger stehen. Dann brachte ihm einer seiner Kumpane ein Messer, und er schnitt sich vor den Augen der rings um ihn versammelten
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