Ketzer
Ärmeln, hatte die Kapuze ihres kurzen Umhangs zum Schutz vor dem Regen hochgeschlagen und marschierte mit entschlossenen Schritten aufs Torhaus zu. Eiligst schloss ich die Tür meiner Kammer hinter mir ab, obwohl ich vorsichtshalber nichts Wertvolles darin zurückgelassen und das Papier mit dem Code zusammengefaltet in mein Wams geschoben hatte. Walsinghams Geldbeutel hing schwer an meinem Gürtel. Sollte ich auf der Straße angegriffen werden, würde ich alles verlieren, dachte ich grimmig, demgegenüber konnte jetzt wenigstens kein Schaden mehr angerichtet werden, falls es sich noch jemand einfallen lassen sollte, meine Kammer zu durchsuchen. Ich stieg die Treppe hinunter und eilte über den Hof, wobei ich fast auf dem nassen Pflaster ausgerutscht wäre, doch als ich das Haupttor erreicht hatte und in die St. Mildred’s Lane hinaustrat, konnte ich Sophia nirgendwo entdecken. Sie war nicht schnell genug gewesen, um aus meinem Blickfeld verschwunden sein zu können, demnach hatte ich mich wahrscheinlich bezüglich der Richtung geirrt, die sie eingeschlagen hatte. Ich machte kehrt, und während ich das Tor hinter mir schloss, hörte ich vom Pförtnerhaus her plötzlich das Murmeln einer Frauenstimme.
Ich klopfte sacht dort an, öffnete die Tür und sah Sophia in
ihrem kostbaren Kleid auf dem feuchten Boden kauern und den Kopf der alten Hündin im Schoß halten. Als ich eintrat, blickte sie auf und schenkte mir lediglich ein unverbindliches, höfliches Lächeln, so, als wären wir flüchtige Bekannte, bevor sie ihre Aufmerksamkeit von Neuem ganz dem Hund widmete und seine Ohren zärtlich kraulte. Bess gab ein zufriedenes Knurren von sich und vergrub den Kopf tiefer in Sophias Röcken. Oh, wäre ich nur ein Hund!, ging mir durch den Kopf – um mir denselben gleich wieder selbst zurechtzurücken.
»Morgen, Doktor Bruno«, grüßte Cobbett freundlich von seinem Platz hinter dem Tisch, der ihm ein gewisses Maß an Autorität verlieh. »Ihr scheint es heute eilig zu haben.«
»Ach … nein, ich … guten Morgen, Mistress Underhill.« Ich deutete eine leichte Verbeugung an.
Sophia hob erneut den Kopf, auf ihrem Gesicht lag diesmal jedoch ein besorgter Ausdruck, und sie lächelte nicht.
»Doktor Bruno. Cobbett, ich glaube, die arme Bess wird allmählich blind«, sagte sie, mich kaum eines Blickes würdigend. Vermutlich schämte sie sich für das, was gestern Abend vorgefallen war.
»Ja, sie wird es nicht mehr lange machen«, stimmte Cobbett so resigniert zu, als habe er sich schon seit geraumer Zeit mit diesem Gedanken vertraut gemacht. »Sophia liebt diesen Hund«, fügte er an mich gewandt hinzu. Ich zwinkerte irritiert angesichts dieser Vertrautheit, mit der er, ein gewöhnlicher Dienstbote, von der Tochter des Rektors sprach – noch dazu in ihrer Gegenwart. Sophia, der meine Verwunderung nicht entgangen war, lachte leise.
»Ihr seid schockiert, weil Cobbett mich nicht Mistress nennt, Doktor Bruno? Als ich hierherkam, war ich dreizehn Jahre alt und mein Bruder vierzehn. Wir hatten keine gleichaltrigen Spielgefährten, und die Fellows waren es nicht gewohnt, Kinder um sich zu haben, sie ließen uns deutlich spüren, dass wir ihnen auf die Nerven gingen. Cobbett und seine Frau waren die Einzigen, die freundlich zu uns waren. Wir haben den größten Teil
unserer Zeit hier verbracht, geschwatzt und mit Bess gespielt, nicht wahr, Cobbett?«
»Aye – und mich von meiner Arbeit abgehalten«, brummte der alte Pförtner, aber es klang liebevoll.
»Ich wusste gar nicht, dass Ihr eine Frau habt, Cobbett«, bemerkte ich.
»Nicht mehr, Sir. Der Herrgott hat sie vor fünf Jahren zu sich gerufen. Sie hat jahrelang für alle im College die Wäsche gewaschen und ihre Arbeit verdammt gut gemacht. Aber so ist nun einmal der Lauf der Welt. Und mit meiner alten Bess wird es auch bald aus sein.« Er schnaubte herzhaft und wandte sein Gesicht zum Fenster.
»Sag das nicht, Cobbett, sie hört dich.« Sophia tat so, als würde sie der Hündin die Ohren zuhalten.
»Ihr seht heute Morgen sehr elegant aus, Mistress Underhill«, unternahm ich einen zaghaften Vorstoß.
Sie verzog das Gesicht. »Meine Mutter hat sich genug erholt, um Besuche machen zu können«, erklärte sie in einem Ton, der keinen Zweifel daran ließ, was sie von dieser Idee hielt. »Wir haben uns bei einer Bekannten von ihr angesagt, die in der Stadt wohnt und deren Tochter sich kürzlich verlobt hat, obwohl sie zwei Jahre jünger ist als ich. Also werden sie
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