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Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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Bruno?«
    »Ich muss dringendst den Rektor sprechen«, keuchte ich, ohne seinem Ton Beachtung zu schenken.
    »Rektor Underhill kann Euch heute Morgen nicht empfangen, er hat sehr viel zu tun. Und die Ladys sind ausgegangen«, fügte er mit einer Betonung hinzu, die mir klarmachen sollte, dass er wüsste, worauf ich wirklich aus wäre.
    »Beim Blut Christi, Mann, hört Ihr mir denn nicht zu?
Wir dürfen keine Zeit verlieren – ich werde den Rektor selbst holen, wenn es sein muss.« Ich drängte mich unsanft an ihm vorbei, durchquerte das Esszimmer und klopfte an die Arbeitszimmertür.
    »Was hat das zu bedeuten?«, krähte der Rektor empört, als er sie aufriss. »Doktor Bruno?«
    »Er ist gewaltsam in das Haus eingedungen, Sir«, winselte Adam, dabei fuchtelte er wild mit den Händen.
    »Ihr müsst sofort mit mir kommen!«, beschwor ich Underhill. »Master Slythurst hat irgendetwas in der Stahlkammer entdeckt – er nannte es ein grausames Verbrechen. Er ist völlig außer sich, deshalb habe ich es übernommen, Euch zu holen.«
    Die Augen des Rektors weiteten sich vor Furcht, seine schlaffen Wangen bebten. »Ein Diebstahl?«
    »Ich glaube nicht«, erwiderte ich ruhig. »Ein gewöhnlicher Diebstahl bringt einen erwachsenen Mann für gewöhnlich nicht dazu, sein Frühstück wieder von sich zu geben. Ich glaube, Slythurst hat etwas viel Schlimmeres gesehen, sonst hätte sich ihm nicht der Magen umgedreht.«
    Der Rektor starrte mich an. »Doch nicht etwa noch ein …«
    »Das müssen wir eben herausfinden, also kommt bitte mit mir.«
    Underhill nickte stumm, dann gab er mir zu verstehen, dass ich vorangehen sollte.
    Als wir die westliche Gebäudekette erreichten, wartete Slythurst bereits an der Tür des Treppenhauses auf uns. Ohne Frage war mittlerweile etwas Farbe in seine Wangen zurückgekehrt, doch er hatte seine Fassung noch nicht vollständig zurückgewonnen.
    »Ihr werdet jetzt gute Nerven brauchen, Rektor«, krächzte er, immer noch heiser. »Ich bin heute Morgen aus Buckinghamshire zurückgekehrt, wo ich meinen Aufgaben nachgehen musste. Beim ersten Tageslicht war ich dorthin aufgebrochen, und gerade vorhin bin ich hier wieder eingetroffen. Ich wollte die Einnahmen aus unseren Landgütern direkt in den Tresorraum bringen
und mich erst im Anschluss daran umziehen, aber als ich an James’ Tür klopfte, erhielt ich keine Antwort, also ging ich zu Cobbett, um den Zweitschlüssel zu seiner Kammer zu holen. Die Innentür zur Stahlkammer fand ich abgeschlossen vor – wie immer. Nachdem ich sie geöffnet hatte, entdeckte ich jedoch …« Seine Augen quollen jetzt wieder aus den Höhlen, er biss die Zähne zusammen und schüttelte den Kopf.
    »Was habt Ihr gefunden?« Der Rektor klang, als wolle er die Antwort gar nicht hören.
    Slythurst schüttelte nur erneut den Kopf und zeigte zur Treppe. Der Rektor wandte sich zögernd zu mir.
    »Doktor Bruno, würdet Ihr vielleicht… Ihr habt in einer solchen Situation schon einmal einen klaren Kopf bewahrt.«
    Ich nickte. Der Rektor war im Grunde seines Herzens ein Feigling: zufrieden und kompetent, wenn er über sein kleines Reich der Bücher herrschen konnte, in dem Männer ihre Feinde mit Worten aus dem Hinterhalt beschossen – indes verloren, wenn Gewalt fassbar wurde. Er fürchtete sich eindeutig vor dem, was er gleich zu sehen bekommen würde. Plötzlich war der merkwürdige kleine Italiener nicht mehr so lächerlich, und er wollte mich an seiner Seite wissen. Slythurst bedachte mich mit einem scharfen Seitenblick aus seinen Schlitzaugen. Anscheinend hatte er trotz seines Schocks seine Abneigung gegen mich nicht vergessen und hätte es lieber gesehen, wenn ich nicht auch noch in diese Sache mit hineingezogen worden wäre, aber er war nicht in der Verfassung, mit dem Rektor zu streiten.
    Die Stufen knarrten unter meinen Füßen, was den Rektor heftig zusammenschrecken ließ. Obwohl es im Treppenhaus dämmrig war, konnte ich Spuren auf der Schwelle von Doktor Coverdales Raum erkennen, als ich durch die Tür trat; Slythurst hatte sie offen gelassen. Ich hielt meine Begleiter mit nach hinten gestreckter Hand zurück, bückte mich, um diese Flecken zu untersuchen, und stellte fest, dass es sich um verwischte Fußabdrücke handelte, die aus der Turmkammer herausführten. Einen davon berührte ich mit dem Finger und schnüffelte dann
an der klebrigen rostfarbenen Flüssigkeit – es handelte sich eindeutig um Blut, das allerdings nicht frisch war. Mit grimmiger Miene

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