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Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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Gefahr, von der Ihr gesprochen habt.«
    Sophia legte einen Finger auf die Lippen und gab mir mit Handzeichen nachdrücklich zu verstehen, dass ich jetzt in der Tat gehen sollte. Nach einem letzten Blick auf sie schloss ich die Tür hinter mir. Insgeheim war ich wütend auf Florio, der zu keinem ungelegeneren Zeitpunkt hätte vorbeikommen können.
    Draußen war die Glocke verstummt, und der Hof war leer. Durch die hohen Fenster der Hall wehte Stimmengewirr zu uns herüber, als ich Florio widerwillig zum Eingang folgte und dabei an Sophia dachte.
     
    Nach der Mahlzeit kehrte ich in meine Kammer zurück, um darüber nachzugrübeln, wie ich mir eine neuerliche Gelegenheit verschaffen könnte, mit Sophia zu sprechen. Ihr Ausbruch bereitete mir große Sorgen; wenn sie, wie ich vermutete, mehr über die näheren Umstände von Roger Mercers Tod wusste, als sie zugeben wollte, dann war es nur zu wahrscheinlich, dass sie wirklich in Gefahr schwebte – vor allem dann, wenn Roger umgebracht worden wäre, um ihn zum Schweigen zu bringen. Doch wer war diese mysteriöse Person, der sie ihr Leben anvertrauen sollte? Und dann war da noch dieser Kuss. Ich stand vor dem Kamin, starrte den unrasierten Mann mit dem zerzausten Haar, der mir aus dem Spiegel entgegenblickte, finster an und runzelte missbilligend die Stirn. Ich hatte mich wie ein ungehobelter Klotz benommen, tadelte ich mich. Sie war mit ihren Ängsten zu mir gekommen, weil sie gedacht hatte, ich würde ihr zuhören, und stattdessen hatte ich mich wie ein brunftiger Hirsch auf sie geworfen. Mein Spiegelbild sah mich mit großen, dunklen Augen an, und sie schienen ein Gegenargument vorzubringen: Sie hatte doch gewollt, dass ich sie in den Armen hielte, sie hatte meinen Kuss zunächst erwidert, bevor ihr Gewissen oder ihr Anstand sie dazu bewogen hatte, sich von mir loszumachen. Einerseits hatte sie gesagt, sie würde sich zu mir hingezogen fühlen, andererseits hatte sie dennoch ihren plötzlichen Rückzieher nicht erklären wollen. War dieses Hindernis, das ich nicht zu
begreifen vermochte, vielleicht in ihrer schon länger bestehenden Zuneigung zu einem anderen zu suchen? Lag hier der Grund für ihre Angst? Zur Hölle mit Florio, dachte ich bitter, obwohl ich für die umgängliche Art und die geistreiche Konversation des jungen Angloitalieners dankbar gewesen war, denn die anderen Fellows hatten sich während des Essens in Schweigen gehüllt und Roger Mercers leerem Stuhl immer wieder ängstliche Blicke zugeworfen.
    Ich starrte immer noch gedankenversunken in den Spiegel, als unvermittelt meine Kammertür aufgerissen wurde. Aufgeschreckt fuhr ich herum und stand Sidney gegenüber, dessen hohe Gestalt den ganzen Türrahmen ausfüllte. Er hatte sich einen kurzen grünen Umhang über eine Schulter geworfen und schwenkte in der rechten Hand eine Flasche Wein.
    »Ich bin dem Polen für diesen Abend entronnen!«, verkündete er triumphierend, schlug die Tür hinter sich zu, zog mit den Zähnen den Korken aus der Flasche und hielt im Raum nach Trinkgefäßen Ausschau.
    Da er keine fand, setzte er sich auf den Stuhl neben dem Schreibtisch und nahm einen großen Schluck aus der Flasche.
    »Fast so, als wären wir wieder Studenten, Bruno«, lächelte er, um dann die Flasche zu heben und mir scheinbar zuzutrinken. »So!« Er zeigte mit einem Finger auf mich. »Du hast mir Laski den ganzen Tag lang allein überlassen, also solltest du lieber interessante Neuigkeiten für mich haben, Bruno, sonst müsste ich dich für einen Drückeberger halten. Was zum Teufel hast du denn die ganze Zeit getrieben?«
    Er hielt mir die Flasche hin, und dankbar trank ich ein paar Schlucke, ehe ich all das zusammenfasste, was sich seit dem gestrigen Abend ereignet hatte. Ich zeigte ihm die Papiere, die ich unter meiner Tür gefunden hatte, erzählte ihm von meiner Entdeckung in der Bibliothek, dem Catherine Wheel , auf das ich durch puren Zufall gestoßen war, von Cobbetts Geschichte vom Fluch des Rowland Jenkes, Coverdales Drohungen und seinem anschließenden Verschwinden und endlich von Sophias Angst,
sie könnte in Gefahr schweben. Letzteres brachte ich in einem möglichst unbeteiligten Ton vor und verschwieg mein Interesse an ihr sowie den fehlgeschlagenen Versuch, sie zu küssen – trotzdem krümmten sich Sidneys Lippen zu einem wissenden Lächeln, und der alte lüsterne Glanz glomm in seinen Augen auf.
    »Kein Wunder, dass du so bereitwillig auf meine Gesellschaft verzichtet hast, Bruno, du

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