Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
Vom Netzwerk:
und ich uns wohl gegenseitig etwas auf der Laute und dem Spinett vorspielen, während sich unsere Mütter in Lobpreisungen über die Vorteile einer guten Partie und den Segen einer Heirat ergehen, und wir alle werden ihren Erfolg bejubeln. Wie Ihr Euch sicher denken könnt, kann ich es kaum noch erwarten.« Sie verzog beim Sprechen keine Miene. Cobbett interpretierte ihren Sarkasmus jedoch falsch.
    »Aber nein, Sophia, du hast nun wirklich keinen Grund, dich zurückgesetzt zu fühlen – du weißt, dass du jeden Mann haben könntest, den du willst, doch du willst ja nicht!« Seine Worte waren tröstlich gemeint, ich bemerkte allerdings, dass Sophia kurz zusammenzuckte, als bereiteten sie ihr Qualen.
    Ich bekam jedoch keine Gelegenheit mehr, weitere Spekulationen
anzustellen, denn in diesem Moment waren draußen auf den Pflastersteinen donnernde Schritte zu hören, und die Tür des Pförtnerhauses wurde mit solcher Wucht aufgestoßen, dass sie gegen die Wand prallte und ich schon fürchtete, das Holz wäre zersplittert. Walter Slythurst, der Quästor, stand auf der Schwelle. Er zitterte wie Espenlaub, war totenblass, und seine Augen quollen vor Entsetzen so stark aus ihren Höhlen, dass man hätte meinen können, jemand bohre ihm ein Messer in den Rücken. Der dicke Umhang, den er trug, und seine Reitstiefel starrten vor Schmutz, er war völlig durchnässt und derangiert. Mir fiel ein, dass er über Nacht unterwegs gewesen war, und ich fragte mich, ob man ihn auf der Straße überfallen hatte.
    »Holt …«, stieß er hervor. Das Sprechen kostete ihn eine solche Anstrengung, dass sich die Muskeln seines Nackens wie Stricke unter der Haut abzeichneten. »Holt den Rektor! Der Tresorraum … er muss sich selbst … muss das sehen …« Plötzlich beugte er sich vor, stützte sich mit einer Hand an der Wand ab und übergab sich auf den Steinfußboden.
    Cobbett und ich wechselten einen Blick, dann begann sich der alte Pförtner aus seinem Stuhl zu wuchten. Ich trat vor. Mir war klar, dass Cobbett dieser Situation nicht ganz gewachsen wäre.
    »Ich hole den Rektor«, erbot ich mich. »Aber was soll ich ihm sagen? Was ist passiert?«
    Slythurst schüttelte heftig den Kopf und presste die Lippen zu einem weißen Strich zusammen, als fürchte er, die Übelkeit könne ihn erneut übermannen. Er nickte in Sophias Richtung.
    »Ein grausames Verbrechen – eines, über das ich in Gegenwart einer Lady nicht sprechen kann. Rektor Underhill muss kommen …« Er brach ab. Sein Atem kam in abgehackten Stößen, seine Knie drohten unter ihm nachzugeben, und er begann so stark zu zittern, als hätten wir tiefsten Winter gehabt. Ich hatte diese Symptome eines schweren Schocks schon häufiger gesehen und wusste, dass wir ihn unbedingt beruhigen müssten.
    »Er soll sich setzen, und Ihr gebt ihm etwas Starkes zu trinken«, wies ich Cobbett an. »Ich suche den Rektor.«

    »Ich kann ihn holen, wenn Ihr wollt – er ist in seinem Arbeitszimmer.« Sophia sprang auf, doch als sie stand, presste sie eine Hand gegen die Stirn und begann zu schwanken, so wie sie es schon einmal getan hatte. Ich nahm sie am Arm, und sie umklammerte dankbar meine Schulter, sie zog die Hand aber dann rasch zurück, als wir einen Blick ausgetauscht hatten, der besagte, dass wir uns beide an den intimen Moment am gestrigen Abend erinnerten. Sie lehnte sich gegen die Wand. Ihr Gesicht war fast so blass geworden wie das von Slythurst. Der Gestank seines Erbrochenen erfüllte den Raum, und vielleicht lag es daran, dass Sophia die Tür kaum halb geöffnet hatte, bevor auch sie sich vorbeugte und sich auf die Schwelle übergab.
    Cobbett verdrehte resigniert die Augen.
    »Wollt Ihr Euch ihnen anschließen, Doktor Bruno, ehe ich einen Eimer Wasser hole?«, fragte er.
    Tatsächlich rebellierte auch mein Magen gegen den Gestank, und ich war froh, an die Luft zu kommen.
    »Rührt Euch nicht von der Stelle – ich bin gleich mit dem Rektor wieder da«, befahl ich, ehe ich ins Freie trat.
    »Niemand darf in die Nähe des Turms kommen«, krächzte Slythurst. Sein Zittern ebbte allmählich ab, Cobbett hatte eine seiner Aleflaschen zum Vorschein gebracht und dem Quästor einen großen Becher mit dem Bier vollgeschenkt.
    Auf mein wildes Hämmern an die Tür des Rektors hin kam der alte Diener Adam angelaufen und öffnete. Als er mich sah, verzog sich sein Gesicht zu einem spöttischen Lächeln, das seinem ganzen Missfallen offen Ausdruck verlieh.
    »Ihr schon wieder , Doktor

Weitere Kostenlose Bücher