Ketzer
war.
»Ich wüsste nicht, was wir hier noch ausrichten könnten«, murmelte er, ging zur Tür und klimperte mit den Schlüsseln, wie um mir zu verstehen zu geben, dass meine Zeit in diesem Raum abgelaufen war. »Der Rektor braucht mich, und ich muss hier abschließen, also wenn Ihr fertig seid …«
»Sagt mir, Master Slythurst …«, begann ich. »Glaubt Ihr, unser Mörder hat das gefunden, was Ihr nach Roger Mercers Tod hier zu finden gehofft habt?«
Der Blick, den er mir zuwarf, triefte vor Verachtung.
»Ich weiß nicht, wovon Ihr redet. Ich habe keinem Mann einen Schlüssel aus der Tasche gezogen, während er seinen letzten Atemzug tat, so wie manche andere«, zischelte er. Sein Gesicht war dem meinen so nah, dass ich seinen säuerlichen Atem riechen konnte.
»Ich frage nur, weil es so aussieht, als wären zwei Männer wegen des Inhalts dieses Verstecks gestorben, und ich denke, Ihr wisst, was darin war«, sagte ich ruhig.
»Man sollte doch meinen, dass das eine unmissverständliche Warnung für alle allzu neugierigen Schnüffler ist«, gab er mit einem Lächeln zurück, das sein Gesicht wie Draht durchschnitt. »Ich muss jetzt zum Rektor. Ihr solltet versuchen, den Besitzer dieser Mordwaffen ausfindig zu machen. Das wäre doch der geeignetste Ausgangspunkt für Eure Ermittlungen, Doktor Bruno, da Ihr ja der Universität so großmütig Eure Dienste angeboten habt.«
Als ich mich mit angewiderter Miene an ihm vorbeidrängte, wünschte ich mir plötzlich glühend, Slythurst möge als der Mörder überführt werden, damit ich den Triumph genießen konnte, dieses sarkastische Lächeln ein für alle Mal verblassen zu sehen, und mahnte mich im nächsten Moment, mich nicht von so gefährlichen Vorurteilen blenden zu lassen.
Am Fuß der Treppe versperrte ein großer, massiger Mann, der wirkte, als habe er überhaupt keinen Hals, den Zugang zum Hof. Er schrak zusammen, als er Geräusche hinter sich hörte, und seine Hand fuhr an seinen Gürtel. Ich musste unwillkürlich lächeln, als ich sah, dass er sich mit einer großen Küchengabel bewaffnet hatte. Anscheinend war dies der Wächter, der dafür sorgen sollte, dass kein Unbefugter den Turm betrat.
»Friede, Dick.« Slythurst hob eine Hand. Der Mann senkte ehrerbietig den Kopf und ließ uns passieren. Wir traten in den
Regen hinaus, ich zog mir mein Wams bis zu den Ohren hoch und schickte mich an, den Hof zu überqueren, als drei Studenten lachend und lärmend aus dem angrenzenden Treppenhaus gestürmt kamen. Zum Schutz vor dem Regen hielten sie sich ihre ledernen Ranzen über die Köpfe. Ich erkannte einen von ihnen, es war Lawrence Weston, der junge Mann, der mich am Samstagabend zu der Disputation begleitet hatte, und sprach ihn an.
»Master Weston, ich brauche Eure Hilfe«, begann ich drängend. Er sah mich verwirrt an, und erst jetzt bemerkte ich, dass ich ihn in meiner Eile hart am Ärmel seiner Robe gepackt hatte.
»Ich bin Euch gerne behilflich, wenn es mir möglich ist, Doktor Bruno«, erwiderte er unbehaglich, da ihm mein Benehmen eindeutig seltsam vorkam. »Aber wir müssen nicht unbedingt im Regen reden.« Er zeigte zum Treppenhaus, aus dem er soeben getreten war. Mir entging nicht, dass Slythurst unseren Wortwechsel voller Argwohn verfolgte. Als er meinen Blick auf sich ruhen spürte, schlang er rasch seinen Umhang enger um sich und huschte davon.
»Während der Disputation Samstagabend kam ein Junge, einer der Studenten in den Saal und überbrachte Doktor Coverdale irgendeine Nachricht«, sagte ich zu Weston, sowie wir im Trockenen standen. »Unmittelbar danach hat Coverdale die Veranstaltung abrupt verlassen. Wisst Ihr, wer dieser Junge war?«
»Woher soll ich das wissen, Sir«, erwiderte er. Offenbar war das schroffer herausgekommen, als er beabsichtigt hatte, denn er fügte hastig hinzu: »Aber ich kann mich erkundigen, wenn es wichtig ist.«
»Das wäre sehr freundlich von Euch.« Ich wandte mich zum Gehen, dann drehte ich mich noch einmal um. »Wenn Ihr ihn findet, wäre mir das einen Shilling wert.«
Weston nickte beeindruckt, ehe er sich wieder zu seinen Freunden gesellte und ich in den Regen hinaustrat.
12
Gabriel Norris’ Kammer lag im Erdgeschoss der westlichen Gebäudekette direkt hinter dem Treppenhaus. An der Tür hing ein Schild mit seinem Namen. Ich klopfte an und war sicher, drinnen ein Geräusch zu hören, aber als ein paar Momente verstrichen, ohne dass jemand öffnete, klopfte ich erneut und rief dabei Norris’
Weitere Kostenlose Bücher