Ketzer
Disputation mit dem Rektor morgen Abend voller Ungeduld.«
»Aber, aber, Roger«, warf der Rektor hastig ein. »Bei Tisch wird nicht von der Disputation gesprochen. Mein geschätzter Gast und ich müssen uns unsere Argumente für den Debattiersaal aufsparen, nicht wahr, Doktor Bruno? Wir dürfen, wie man so schön sagt, unser Pulver noch nicht verschießen.«
Ich nickte zustimmend. Roger Mercer hob protestierend eine Hand.
»Keine Sorge, Rektor – das war nur eine Einleitung. Ich wollte Doktor Bruno sagen, dass seine Person meine Neugier geweckt hat, seit ich sein Buch Über die Schatten von Ideen gelesen habe, das letztes Jahr in Paris veröffentlicht wurde.«
»Erwähnte nicht der Hexenmeister Cecco d’Asvoli, der wegen Ausübung schwarzer Magie verbrannt wurde, ein Buch mit dem gleichen Titel – ein Buch über verbotene Magie, das er Salomon
zuschrieb?« Doktor Bernard beugte sich erneut um Sophia herum. Sein zitternder Zeigefinger stach ihr fast ins Gesicht, obwohl er auf mich gerichtet war. Sie rückte mit ihrem Stuhl nach hinten und strich ihr Haar zurück, während sie ihr Gespräch mit Florio fortsetzte. Aus den seltsamen Satzfetzen, die ich auffing, schloss ich, dass er ihr weitere sich reimende Aphorismen vortrug.
»Das Buch, das Cecco erwähnte, wurde nie gefunden«, warf ich ein, dabei hob ich meine Stimme, damit der alte Mann mich genau verstehen konnte. »Ich hielt es für eine Schande, einen so gelungenen Titel nicht zu nutzen, also borgte ich ihn mir aus. Aber mein Werk ist eine Abhandlung über die Kunst der Gedächtnisschulung, basierend auf den Systemen der Griechen – keine Hexerei, Gentlemen.« Ich lachte eine Spur zu laut.
Roger Mercer beäugte mich nachdenklich.
»Und trotzdem bedient sich Euer Gedächtnissystem Bildern, die ziemlich genau den Glück bringenden Mustern entsprechen, die Agrippa in seiner De Occulta Philosophia beschreibt. Er behauptet, sie könnten bei Ritualen himmlischer Magie eingesetzt werden, um die Macht von Engeln und Dämonen zu beschwören.«
»Aber das sind Bilder, die den Tierkreiszeichen und den Häusern des Mondes entsprechen, und sie werden für viele mnemonische Systeme genutzt«, widersprach ich in der Hoffnung, man würde mir mein Unbehagen nicht anmerken. »Sie sind sehr beliebt, denn sie basieren auf regelmäßigen numerischen Einteilungen, die das Erinnerungsvermögen stützen, letztendlich jedoch sind und bleiben es bloße Bilder.«
»Für einen Magier existiert kein ›bloßes Bild‹«, fauchte Bernard. »Es sind Zeichen, die auf versteckte Realitäten hindeuten, wie Euer Titel ja klar besagt. Und das gilt in besonderem Maße für die von der alten Astrologie der Ägypter abgeleiteten Bilder, wie Agrippa sehr wohl wusste, denn er zitierte seinen Meister Hermes Trismegistos, der von dem heiligen Augustinus verurteilt wurde, weil er Dämonen beschworen hatte!«
Bei den letzten Worten überschlug sich seine Stimme fast. Eine kalte Hand schloss sich um mein Herz. Ich setzte zu einer Antwort an, doch Sophia Underhill kam mir zuvor. Sie rückte ihren Stuhl wieder näher an den Tisch heran, sah mich an und unterbrach Florio mitten im Satz mit der Frage:
»Wer ist Hermes Trismegistos?«
Die Männer verstummten. Alle Augen richteten sich auf mich.
»Ich habe seinen Namen in einem philosophischen Werk gelesen«, fuhr sie mit einer unschuldsvollen Miene fort, die ich ihr nicht ganz abkaufte. »Aber ich kann in unserer Bibliothek hier keines seiner Bücher finden, und der Zugang zu den Universitätsbibliotheken ist mir verwehrt.«
»Mit Recht, denn du bist ja kein Gelehrter«, tadelte sie ihr Vater, dabei blickte er in die Runde, als schäme er sich für ihre Kühnheit. »Ich gestatte dir, dich anhand der Bücher in unserer Bibliothek weiterzubilden, solange du deine Studien auf Themen beschränkst, die sich für eine Dame schicken.«
Ich hatte den Eindruck, dass er das um der Gesellschaft am Tisch willen sagte. Sophia machte Anstalten, Einwände zu erheben, besann sich dann allerdings und verzog schmollend das Gesicht. Ihre Mutter bekundete erneut ihr Missfallen mit einem lauten »Na, na!«.
»Ihr werdet in Oxford jetzt keine Werke des dreimalgroßen Hermes finden«, verkündete Doktor Bernard kopfschüttelnd. »Früher hatten wir sie hier – vor der großen Bibliothekensäuberung 69. Seine Manuskripte wurden vor einem Jahrhundert auf Wunsch des sterbenden Cosimo de Medici von dem Florentiner Ficino übersetzt. Kennt Ihr Ficinos Version,
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