Ketzer
einer Mischung aus Neugier und Belustigung. Dies war also Sophia
Underhill, und ich verstand, warum ihr Vater es so eilig hatte, sie zu verheiraten. Sie hatte ein anziehendes katzenhaftes Gesicht und leuchtende hellbraune Augen, und ihre Gegenwart musste eine gefährliche Ablenkungsquelle für die jungen Männer darstellen, die sich auf ihre Bücher konzentrieren sollten. Der Rektor erhob sich von seinem Platz am Kopfende des Tisches, kam mit wichtigtuerischer Geschäftigkeit auf mich zu und schüttelte meine Hand.
»Willkommen, Doktor Bruno, willkommen. Bitte nehmt doch Platz! Ich werde Euch einige der Senior Fellows der Universität und meine Familie vorstellen.«
Er deutete auf den Stuhl zu seiner Linken, der zu meiner heimlichen Freude fast genau gegenüber dem seiner Tochter stand. Ich nickte ihr höflich zu, ehe ich die anderen Gäste betrachtete. Wir waren insgesamt zu zehnt; die Männer trugen alle die traditionellen Roben der Universität. Am anderen Ende des Tisches, dem Platz des Rektors gegenüber, saß eine erschöpft wirkende Frau mittleren Alters.
»Gestattet, dass ich Euch mit meiner Frau, Mistress Margaret Underhill, bekannt mache«, begann er, auf jene Frau deutend.
»Piacere di conoscerla «, sagte ich und verbeugte mich leicht. Die Frau lächelte schwach. Entgegen der Behauptung ihres Mannes schien sie nicht sonderlich begeistert davon zu sein, Gäste unterhalten zu müssen.
»Und meine Tochter Sophia«, fuhr der Rektor fort, ohne den Stolz in seiner Stimme unterdrücken zu können. »Ihr hört, dass ich ihr den griechischen Namen für Weisheit gegeben habe.«
»Dann können sich ihre Bewunderer mit Fug und Recht ›Philosophen‹ nennen«, erwiderte ich, dabei lächelte ich ihr zu. »Die Liebhaber der Sophia.«
Die Mutter sog mit einem scharfen Zischen den Atem ein, die Männer kicherten unterdrückt, aber das Mädchen erwiderte mein Lächeln und errötete leicht, bevor es den Blick senkte. Der Rektor rang sich gleichfalls ein Lächeln ab.
»Ah ja, man hat mich schon gewarnt, dass die Männer Eures
Landes Experten in der Kunst sind, Damen zu schmeicheln«, meinte er gepresst.
»Vor allem die Mönche«, grunzte der ältere Mann rechts von Sophia, und die Gäste lachten.
»Ehemalige Mönche«, betonte ich, dabei sah ich das Mädchen erneut an. Diesmal wandte sie den Blick nicht ab, und das Blitzen in ihren Augen erinnerte mich plötzlich so lebhaft an Morgana, dass mir der Atem stockte.
»Ich muss meine Landsmänner in Schutz nehmen«, protestierte der dunkelhaarige junge Mann direkt zu meiner Linken, der tatsächlich wie ein Südländer aussah, obwohl er ein akzentfreies Englisch sprach. »Oder vielmehr die Landsmänner meines Vaters. Ich weiß nicht, wieso wir bei den Engländern in dem Ruf stehen, große Verführer zu sein – ich habe dieses Talent ganz bestimmt nicht in die Wiege gelegt bekommen, leider Gottes.« Er hob bedauernd die Hände, und die Gesellschaft lachte erneut. Ich verdächtigte den jungen Mann in diesem Punkt falscher Bescheidenheit – er hatte regelmäßige Züge, war gut gekleidet, und Bart und Haar waren sorgfältig gestutzt. Er drehte sich zu mir und streckte mir eine Hand hin. »John Florio, Sohn von Michelangelo Florio aus der Toskana. Ich freue mich, Eure Bekanntschaft zu machen, Doktor Bruno. Euer Ruf ist Euch vorausgeeilt.«
»Welcher?«, fragte ich, was weiteres Gelächter zur Folge hatte.
»Master Florio ist ein genauso anerkannter Gelehrter und Sprachlehrer, wie es sein Vater war«, warf der Rektor ein. »Er arbeitet gerade an einem Buch mit Sprichwörtern aus aller Welt und wird uns sicherlich mit einigen erfreuen.«
»›Schon immer ist’s bei den Frauen beliebt …‹«,
»›… dass man dem Kreuz viel Liebe und leidenschaftlicher Liebe kreuzweise Hiebe gibt‹«, erfolgte bereitwillig die prompte Antwort.
»Wie wahr«, kommentierte Sophia trocken, und Florio strahlte sie an.
»Danke.« Das Lächeln des Rektors wirkte zunehmend gequälter. »Ich muss gestehen, dass ich nicht wusste, wie gut Ihr die englische Sprache beherrscht, und ich dachte, Ihr würdet Euch hier vielleicht heimischer fühlen, wenn Ihr Euch auf Italienisch unterhalten könnt.«
»Das war sehr aufmerksam von Euch«, sagte ich. »Ich habe mein Englisch im Lauf der Jahre von Reisenden und Gelehrten gelernt, aber ich fürchte, es ist ziemlich ungeschliffen.«
»Mein Vater ist auch aus Angst vor der Inquisition aus Italien geflohen, nachdem er zum protestantischen Glauben
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