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Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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Weile lang neugierig, bevor er mir auf die Schulter klopfte.
    »Wir erwarten Eure Disputation heute Abend alle voller Spannung. Ich interessiere mich zwar nicht sonderlich für Theologie, ich werde indes lautstark Beifall klatschen, wenn Ihr den Rektor wie einen Narren dastehen ließet. Obwohl ich mir durchaus vorstellen könnte, dass er das auch aus eigener Kraft schaffen würde.« Grinsend wandte er sich um, blickte dann aber noch einmal mit ernster Miene zu mir zurück »Aller Voraussicht nach werden wir alle eine Aussage machen müssen, wenn eine offizielle Untersuchung eingeleitet wird. Und ich werde wegen des Bogens und der Pfeile Ärger bekommen – es ist niemandem gestattet, auf dem Universitätsgelände Waffen aufzubewahren. Vielleicht könntet Ihr erwähnen, dass der Hund ohne mein Eingreifen nicht hätte überwältigt werden können, Doktor Bruno?«
    »Natürlich werde ich den wahrheitsgetreuen Ablauf der Ereignisse so gut ich kann wiedergeben, wenn dies von mir gewünscht wird«, versprach ich, mich meinerseits verneigend.
    »Ich danke Euch. Arrividerci, il mio doctore! « Diesmal machte er auf dem Absatz kehrt und eilte auf das Haupttor zu. Irgendwie von ihm beeindruckt sah ich ihm nach. Gabriel Norris mochte ein unerträglich eitler Pfau sein, es wäre allerdings ein Fehler, ihn zu unterschätzen.
     
    Nach wie vor stand ich mit Roger Mercers Kleidern im Hof und überlegte, was ich als Nächstes tun sollte. Die Sonne wurde von zinngrauen Wolken verdeckt, die sich wellenförmig über den Dächern erstreckten. Ich fröstelte in meinem dünnen Hemd. Slythurst würde dem Rektor mit Sicherheit berichten, dass er mich in der Kammer des Toten überrascht und ich sogar dessen Geldtruhe aus ihrem Versteck genommen hatte. Meine Unschuld könnte ich allein damit beteuern, indem ich an der lächerlichen
Lüge festhielt, ich hätte Kleider für die Beerdigung holen wollen. Grübelnd blickte ich auf das Bündel in meinen Armen und beschloss, das immer noch nach seinem Besitzer leicht moschusartig riechende Gewand so schnell wie möglich zum Rektor zu bringen, ehe Slythurst ihm unerfreuliche Informationen zutragen könnte. Ich würde ihm weismachen, es sei eine alte nolanische Sitte, um den Toten Respekt zu bekunden – er würde das zwar absurd finden, mich gleichwohl hoffentlich nicht für einen potenziellen Dieb halten. Er würde sich ferner darüber wundern, warum ich die Schlüssel des Toten an mich genommen hatte – ich müsste sie unverzüglich zurückgeben, obwohl ich sie gern behalten hätte, falls ich nochmals eine Chance bekäme, Rogers Turmkammer gründlich zu durchsuchen. Mit Sicherheit hatte aber Slythurst inzwischen gefunden, wonach er suchte – wenn dies der erste Eindringling nicht schon getan hatte.
    Mit wurde ganz schwindelig. Ich sehnte mich nur danach, wieder in mein Bett zu kriechen und die Augen zu schließen, stattdessen steuerte ich jetzt auf das Pförtnerhaus zu und stieß auf eine rechts in den Mauerbogen neben dem mächtigen Holztor eingelassene Tür, an der ein bemaltes Schild mit der Aufschrift Pförtnerloge hing.
    Ich steckte meinen Kopf durch den Türspalt und linste hinein. Ein korpulenter alter Mann mit drahtigem grauem Haar saß neben einem Holztisch. Der Kopf war ihm auf die Brust gesunken, und er atmete schwer. Seine Jacke wies Bierflecken auf, und zu seinen Füßen döste ein erschöpft aussehender schwarzer Hund mit grau gesprenkelter Schnauze. Sowie das Tier meine Schritte hörte, hob es halb den Kopf und betrachtete mich aus milchigen Augen, dann nahm es wieder seine Schlafposition ein, als sei allein diese Anstrengung bereits zu viel für ihn gewesen. Ich räusperte mich und klopfte an. Der Kopf des alten Mannes fuhr mit einem Ruck hoch. Speichel schimmerte auf seinem stoppelbärtigen Kinn.
    »Entschuldigt, Sir, ich muss einen Moment lang eingeschlafen sein«, murmelte er.

    »Meister Cobbett? Mein Name ist Giordano Bruno.«
    »Ich kenne Euch, Sir, Ihr seid unser geschätzter Gast, der heute Abend mit dem Rektor die Klinge kreuzen will – das ist natürlich nicht wortwörtlich gemeint, denn Waffen sind auf dem Universitätsgelände verboten, Sir. Was für ein schrecklicher Morgen das für Euch gewesen sein muss … so ein tragisches Unglück, ich darf gar nicht daran denken.« Er schüttelte theatralisch den Kopf, seine Hängebacken bebten.
    »Ja, es hat mich zutiefst erschüttert.« Ich zog die Schlüssel aus der Tasche. »Ich war im Garten und bin dem Rektor zur

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