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Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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prüfen.«
    Schweigen folgte auf seine Worte. Es war klar, dass der alte Mann nur äußerst ungern eine Lüge erzählte, die ein schlechtes Licht auf seine Kompetenz warf; er tat es zwar pflichtgetreu, aber widerwillig.
    »Es fällt mir schwer, das zu glauben.« Ich schlug einen ermutigenden Tonfall an. »Jeder hier erzählt mir, dass Ihr der Universität seit Eurer frühesten Jugend dient und nie Eure Pflicht vernachlässigt habt.«
    Ein dankbarer Ausdruck erhellte das Gesicht des Pförtners. Er winkte mich näher zu sich heran. Sein Atem stank nach schalem Bier.
    »Ich danke Euch, Sir. Das habe ich auch dem Rektor gesagt, ich sagte, Sir, Ihr wisst, dass ich tue, was Ihr von mir verlangt,
aber ich hoffe, niemand glaubt, dass der alte Cobbett auf seinen Runden irgendeine Ecke des Universitätsgeländes auslässt. Die Leute hier wissen, dass ich meine Arbeit gut mache, Sir.« Er warf sich in die Brust, woraufhin er von einem Hustenanfall geschüttelt wurde.
    »Nun, ich hoffe jedenfalls, Ihr werdet nicht für etwas bestraft, das nicht Euer Fehler war«, meinte ich.
    »Danke, Sir, Ihr seid sehr freundlich.«
    »Sagt mir, Meister Cobbett«, fuhr ich leichthin fort, dabei wandte ich mich zum Gehen. »Wenn ein Mann in die Stadt gehen und erst zurückkommen will, nachdem Ihr das Haupttor geschlossen habt … wäre das möglich?«
    Cobbetts Gesicht verzog sich zu einem breiten, zahnlosen Grinsen.
    »Alles ist möglich, Doktor Bruno.« Er zwinkerte mir zu. »Vielleicht habt Ihr schon gehört, dass ich manchmal mit den Undergraduates bezüglich des Abschließens des Tores gewisse Abkommen treffe. Ihr hingegen habt das nicht nötig: Fellows und Gäste können einen Schlüssel für das Haupttor bekommen.«
    »Tatsächlich?«, vergewisserte ich mich überrascht. »Also können die Fellows die Universität durch das Haupttor verlassen und wieder betreten, wann immer es ihnen beliebt?«
    »Es wird nicht unbedingt gern gesehen.« Cobbett war jetzt sichtlich auf der Hut. »Aber ja, das können sie. Allerdings machen nicht viele von diesem Privileg Gebrauch – sie sind alle zu ernsthaft veranlagt, um in der Stadt herumzustreifen. Es sind die Studenten, die solche Streifzüge unternehmen wollen und die in ihrer Freiheit eingeschränkt werden. Doch ich war auch einmal jung, und ich denke, jungen Männern jegliches Vergnügen zu verwehren bringt mehr Schaden als Nutzen. Nur Arbeit und kein Spaß, dann beißt du früh ins Gras, sag ich immer.«
    Ich beugte mich leicht vor und spähte aus dem Fenster, das auf den Turmbogen hinausging. Zwei Studenten in schwarzen
Roben gingen, lederne Ranzen an die Brust gepresst, an mir vorbei.
    »Könnt Ihr von hier aus jeden sehen, der nachts ein und aus geht?«, erkundigte ich mich.
    »Wenn ich wach bin, ja.« Cobbett lachte heiser und begann erneut zu husten.
    Ich hätte ihm gern noch weitere Fragen gestellt, fürchtete jedoch, dadurch sein Misstrauen zu wecken, somit begab ich mich zur Tür.
    »Danke für Eure Hilfe, Cobbett, ich werde jetzt schon zurechtkommen.«
    »Doktor Bruno«, krächzte er, als ich die Tür öffnete. Ich drehte mich um. »Bitte behaltet für Euch, was ich über den Garten gesagt habe, ja? So sehr es mir auch widerstrebt, ich muss den Anweisungen des Rektors Folge leisten und die Schuld auf mich nehmen.«
    Ich versicherte ihm, dass das Gespräch unter uns bleiben würde. Cobbett seufzte erleichtert.
    »Ich erzähle Euch ein andermal gerne mehr über Schlösser und Schlüssel, wenn Ihr Euch dafür interessiert«, fügte er hinzu, dabei drehte er Rogers Schlüssel zwischen seinen Wurstfingern. Danach langte er unter den Tisch, förderte einen irdenen Krug zutage und schwenkte ihn viel sagend durch die Luft. »Aber Reden macht durstig. Bei einer kleinen Erfrischung spricht es sich leichter, wenn Ihr versteht, was ich meine?«
    Ich lächelte.
    »Ich werde sehen, was für eine Erfrischung sich für unsere nächste Unterhaltung finden lässt, Cobbett«, versprach ich. »Ich freue mich schon darauf.«
    »Ich mich auch, Doktor Bruno, ich mich auch. Seid so gut und lasst die Tür offen.«
    Er bückte sich und kraulte den Hund zwischen den Ohren. Ich konnte ihn leise in sich hineinkichern hören, als ich das Pförtnerhäuschen verließ und nachdenklich vor dem hohen Haupttor stehen blieb.

     
    Ich kehrte in meine Kammer zurück; froh, mich meines Hemdes und meiner Hose entledigen zu können, die inzwischen steif von Rogers Blut waren, und das Buch aus meiner Hose zu ziehen, dessen

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