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Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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statt. Auf offener Straße verkauft hat man sie sicher nicht, wenn sie auf einer schwarzen Liste standen. Ich war damals noch ein Undergraduate und habe der Kommission kaum Beachtung geschenkt – ich war zu sehr damit beschäftigt, über meinen griechischen Lehrbüchern zu schwitzen und zu versuchen, nicht ständig an Mädchen zu denken, an eine öffentliche Bücherverbrennung würde ich mich dennoch mit Sicherheit erinnern.« Bei der Erinnerung an seine Jugendjahre lächelte er wehmütig. »Ihr müsstet Euch an William Bernard wenden, er war seinerzeit der Bibliothekar.«
    »Tatsächlich?« Das war eine wichtige Information, und ich wunderte mich, dass Bernard diesen Umstand im Rahmen unserer Diskussion über Bücher am Tisch des Rektors, an meinem ersten Abend hier, nicht erwähnt hatte. Mein Blut begann schneller durch meine Adern zu fließen. Könnte dieser streitbare alte Mann irgendwo Bücher gehortet haben, die als zu gefährlich für die Köpfe derjenigen jungen Männer eingestuft worden waren, die einst die Zukunft Englands gestalten sollten? Und bestände der Hauch einer Chance, dass Dekan Flemyng zusammen mit den Werken, die er vor mehr als hundert Jahren bei einem bekannten florentinischen Buchhändler erstanden hatte, auch ein Manuskript in die Hände gefallen war, dessen Wert er nicht erkannt und dessen Existenz William Bernard eine Spur zu entschieden geleugnet hatte?
    Ich atmete tief durch, um mir meine Erregung nicht anmerken zu lassen. Es war zweifellos vermessen von mir zu hoffen, das Manuskript, das ich suchte, an diesem Ort finden zu können, doch es überstieg auch nicht die Grenzen des Möglichen. Wenn jemand wusste, ob ein katalogisiertes griechisches Buch Teil der ursprünglichen Hinterlassenschaft des Dekans gewesen war, dann musste das William Bernard sein, der länger als jeder
andere Mitglied dieser Universität war, Griechisch las und sofort erkannt hätte, was er da in der Hand hielt, wenn er darauf gestoßen wäre. Das Problem bestand darin, ihn davon zu überzeugen, dass er sich einem Fremden anvertraute; der alte Mann war gerissen wie ein Fuchs, und meine offenkundige Ablehnung aller Religionen hatte bereits sein Misstrauen geweckt.
    Godwyn hatte inzwischen alle Kerzen angezündet und drehte sich mit der Miene eines beflissenen Gastgebers zu mir um.
    »Vielleicht möchtet Ihr gern unsere Ausgabe von Ciceros De officiis sehen? Dekan Flemyng hat sie eigenhändig kopiert«, schlug er vor, dabei deutete er auf eines der Pulte am hinteren Ende des Raumes. »Ich habe die Kerzen entzündet, weil viele Studenten auch sonntags herkommen, um in Ruhe ihren Studien nachzugehen. Es ist den Undergraduates nicht gestattet, Bücher in ihre Unterkünfte mitzunehmen, wisst Ihr.«
    »Befindet sich zufällig auch eine Kopie von Master Foxes Buch in Eurer Sammlung?«, fragte ich so beiläufig wie möglich, als ich ihm durch die Bibliothek folgte.
    »Vom Buch der Märtyrer?« Er wirkte überrascht. »Ja, wir haben die Ausgabe von 1570, die zweite Ausgabe, aber sie könnte zurzeit ausgeliehen sein. Möchtet Ihr sie sehen?«
    »Wenn das möglich wäre? Nachdem ich heute Morgen die Predigt des Rektors gehört habe, würde es mich interessieren, einen Blick hineinzuwerfen.«
    »Ihr könnt es gern lesen«, meinte Godwyn skeptisch, »obgleich ich fürchte, Foxe bringt für solche Eures Glaubens wenig Toleranz auf. Ich muss Euch nur bitten, Euch hier in der Bibliothek damit zu beschäftigen – nur die Fellows genießen das Privileg, Bücher ausleihen zu dürfen. Sie müssen sich in eine Liste eintragen, auf diese Weise wissen wir, an wen wir uns halten müssen, wenn sie in einem ziemlich mitgenommenen Zustand zurückkommen.«
    »Die Bücher oder die Fellows?«, scherzte ich.
    Godwyn lachte artig und trat zu einer der großen Holztruhen im kleinen Hinterzimmer. Als er sich bückte, um einen Stapel
Bücher herauszunehmen, fiel mein Blick auf eine kleinere, mit einem Vorhängeschloss gesicherte Truhe, versteckt in einer Ecke. Godwyn legte die Bücher sorgsam auf den Boden, dann griff er aufs Neue in die Truhe und reichte mir einen dicken, in schlichtes Leinen gebundenen Band.
    »In der Bibliothek von Paris habe ich eine Kopie davon gesehen.« Ich drehte das Buch zwischen meinen Händen um und herum. »Aber ich habe den Text nur überflogen, nicht richtig gelesen. Die Predigt des Rektors hat mein Interesse neu geweckt. Ist die Geschichte des Ignatius auch unter den Legenden der frühen Märtyrer zu

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