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Ketzer

Ketzer

Titel: Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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finden?«
    »In der Tat – unter den zehn ersten primitiven Verfolgungen von Christen durch die Römer.« Der Bibliothekar legte den Kopf schief, als würde ihm meine Frage seltsam erscheinen. »Alle im ersten Buch.«
    Just in diesem Moment wurde die Tür geöffnet, und die Kerzen flackerten, als der rothaarige junge Mann, der kurz zuvor die Kapelle aufgeräumt hatte, in den Raum trat und nervös hüstelte.
    »Master Godwyn, Sir? Rektor Underhill wünscht mit Euch über eine private Angelegenheit zu sprechen, wenn Ihr etwas Zeit erübrigen könnt.«
    Godwyn blickte besorgt, erst zu mir, dann zu dem Jungen.
    »Macht es Euch etwas aus, wenn ich Euch ein paar Minuten alleine lasse, Doktor Bruno? Ich kann ja sicherlich darauf vertrauen, dass Ihr nicht versucht, ein Buch zu stehlen.« Er lachte verlegen.
    »Eure Bücher sind bei mir völlig sicher, Master Godwyn«, antwortete ich ihm und winkte seine Bedenken ab – freilich gierte ich bereits darauf, den Foxe genauer zu inspizieren.
    »Dürfte ich Euch bitten, hier auf meine Rückkehr zu warten? Es muss sich immer jemand in der Bibliothek aufhalten, wenn sie geöffnet ist.« Er wirkte angespannt. Ich versicherte ihm, dass ich sein kleines Reich mit meinem Leben beschützen würde, und er folgte dem rothaarigen Jungen widerstrebend aus dem Raum, nicht ohne sich noch einmal kurz zu mir umzusehen.

    Ich ließ mich an Godwyns großem Schreibtisch nieder und schlug den ersten Band von Foxe auf, doch dabei fiel mir auf, dass der Bibliothekar seine Schlüssel liegen gelassen hatte. Ein Gedanke schoss mir durch den Kopf. Ich blickte flüchtig zu der geschlossenen Tür, dann griff ich nach den Schlüsseln und fand darunter einen kleinen Eisenschlüssel von der Art, die zu einem Vorhängeschloss passen könnte. Im hinteren Raum kniete ich mich vor die verschlossene Truhe und versuchte, sie zu öffnen. Zu meiner Überraschung sprang das Schloss sofort auf, ich klappte den Deckel hoch, und mein Blick fiel auf ein schwarzes Stoffbündel. Als ich es heraushob, stellte ich fest, dass es sich um die Robe eines Akademikers handelte, die in die Truhe gestopft worden war, um die darunter aufgestapelten Bücher zu verbergen. Ich holte den obersten Band hervor. Er war in abgewetztes Kalbsleder gebunden, das sich brüchig anfühlte, die Ecken waren ausgefranst, aber es war das Titelblatt, das mich veranlasste, den Atem scharf einzuziehen und mich instinktiv zu vergewissern, dass ich wirklich allein wäre.
    Ich hielt eine Abschrift der Zehn Gründe des hingerichteten Jesuiten Edmund Campion in Händen, die dem Druckerzeichen zufolge aus Reims kam. Es bestand kein Zweifel daran, dass dieses Buch – Campions entschiedene Verteidigung des katholischen Glaubens – in England und ganz sicher in Oxford verboten war. In der Kiste fand ich weitere Texte und Pamphlete von Robert Persons, William Allen und anderen katholischen Autoren aus Europa, die den englischen Behörden ein ebensolcher Dorn im Auge sein dürften. Mit sich beschleunigendem Pulsschlag blätterte ich eine Weile darin herum, bis ich vom Knarren eines Balkens in der Bibliothek hinter mir gestört und dadurch daran erinnert wurde, dass Godwyn bestimmt bald zurückkommen würde. Rasch sah ich die restlichen Bücher in der Truhe durch, fand aber keines, das in griechischer Sprache verfasst worden war; diese verbotenen Werke waren anderer Art. Ich legte sie allesamt an ihren Platz zurück, bedeckte sie neuerlich mit der Robe, und in großer Eile verschloss ich die Truhe. Die
Schlüssel legte ich wieder auf den Schreibtisch, setzte mich flugs dahinter und konzentrierte meine Aufmerksamkeit endlich auf den Foxe – bereit für Godwyns Rückkehr.
    Ich blätterte die Seiten um; suchte nach der Geschichte des Ignatius. Es war keine schwierige Aufgabe, auf Seite 46 bestätigte sich mein Verdacht: Zwei Zeilen waren so sauber aus dem Papier herausgeschnitten worden, dass der umliegende Text unbeschädigt geblieben war. Nur die Textzeilen, die unter meiner Tür hindurchgeschoben worden waren, fehlten, sie konnten nur mit einem Buchbindermesser oder einem ähnlich präzisen Instrument herausgetrennt worden sein. Oder mit einem Taschenmesser, dachte ich plötzlich, als mein Blick auf Godwyns Schreibfedern und sein Tintenfass vor mir auf dem Schreibtisch fiel. Das jedoch engte den Kreis der Verdächtigen auch nicht gerade ein, jedes Universitätsmitglied dürfte solch ein Messer besitzen.
    Der Riegel klickte leise, Godwyn erschien, schloss die

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