KGI: Blutiges Spiel (German Edition)
Holzjalousie, wie der Mann den Strand entlangjoggte. Alle paar Meter blieb er stehen, ließ sich zu Boden fallen und machte eine Reihe Liegestütze. Der Schweiß auf seinem Gesicht glänzte in der Sonne, und seine Miene war vor Anstrengung verzerrt, doch er trieb sich immer weiter.
Seit ihr vor zwei Tagen die Nerven durchgegangen waren, als er ihr gefolgt war, achtete sie sehr sorgfältig auf ihren neuen Nachbarn. Auch wenn die Fantasie mit ihr durchgegangen war, ermahnte sie sich doch ständig, in ihrer Wachsamkeit nicht nachzulassen.
Er war groß und gut aussehend. Sie schalt sich für diese abstrusen Gedanken, aber er war ein schöner Mann. Gut gebaut, schlank, muskulös, ohne überflüssige Pfunde, soweit sie das feststellen konnte. Das schwarze Haar sah aus, als wäre ein Militärschnitt herausgewachsen. Angesichts seines gewaltigen Trainingspensums und seines schmerzverzerrten Gesichts, mit dem er seine Schulter immer wieder rollte, war er wohl verwundet worden. Vielleicht war er im Urlaub oder aufgrund seiner Verletzung sogar ausgemustert worden.
Vielleicht versuchte sie sich aber auch nur selbst einzureden, dass ihr Nachbar keine Bedrohung darstellte.
Sie schloss die Augen und ließ die Lamellen los. Nicht jeder war ihr Feind. Das Problem war herauszufinden, wer keiner war, obwohl sie sich den Luxus eigentlich nicht leisten konnte, hier Unterscheidungen zu treffen.
Mit Erleichterung stellte sie fest, dass sie an dem Mann interessiert war – als Frau. Dass sie ihn wohlwollend betrachten und sich überhaupt Gedanken über ihn machen konnte, löste fast ein Triumphgefühl bei ihr aus. Du kannst mich mal, Allen Cross. Du hast nicht gesiegt. Du hast mich nicht zerstört .
Ein klagendes Miau riss sie aus ihren Grübeleien. Sie drehte sich um. Die Katze hockte auf der Anrichte und sah sie erwartungsvoll an. Lächelnd ging Sarah zu ihr hinüber und streichelte ihren Kopf.
»Ich muss dir wohl einen Namen geben. Schließlich kann ich nicht immer nur Katze zu dir sagen, oder?«
Die Katze blinzelte und schnurrte, dann stolzierte sie zum Schränkchen, wo Sarah das Katzenfutter aufbewahrte. Sie stellte sich auf die Hinterpfoten und scharrte an der Tür. Lächelnd beeilte sich Sarah, den Wünschen ihres hungrigen Mitbewohners nachzukommen.
Bei ihrem neuen Nachbarn hatte sich bereits eine tägliche Routine eingespielt. Sie kam sich beinahe vor wie ein Stalker, weil sie jeden seiner Schritte verfolgte. Teils lag das an ihrer Vorsicht, teils aber auch an ihrer Neugier. Recht viel mehr, als den Wellen zuzuschauen, gab es hier nicht zu tun. Es standen nur wenige Häuser in diesem Abschnitt des Strandes, und die wurden vermietet, weshalb hier nicht viel Leben herrschte. Er war der einzige Mensch im weiteren Umkreis, den sie einigermaßen regelmäßig zu Gesicht bekam, und außerdem faszinierte er sie.
Früh am Morgen stand er auf und joggte am Strand entlang. Dann verschwand er in seinem Ferienhaus, nur um kurz darauf mit seiner Angelausrüstung wieder aufzutauchen. Er watete ins Wasser, warf die Angel aus, watete dann zurück, steckte die Rute in die Halterung, legte sich in einen klapprigen Liegestuhl, mit der Kühlbox neben sich, und wartete.
Seine Geduld war bewundernswert. Er saß eine halbe Ewigkeit einfach nur da, bis sich die Leine spannte. Dann sprang er auf und holte sie ein. Meistens fing er nur kleine Fische, aber einmal hatte sie ihn vom Fenster aus beobachtet, wie er sich eine gute halbe Stunde lang abmühte, einen Riesenfang an Land zu ziehen.
Er löste den Fisch vom Haken, hielt ihn in die Sonne, watete dann ins Meer und ließ ihn wieder frei. Anschließend begann er wieder von vorn.
Sie beneidete ihn um seine Freiheit, alles tun und lassen zu können, wie es ihm beliebte. In völliger Sorglosigkeit. Er machte den Eindruck, als würde er frei von jeglichen Problemen die ruhigen Tage in der Sonne genießen.
Sie schüttete das Katzenfutter in eine Schüssel und stellte diese dann auf den Boden. Die Katze verschlang es, als handele es sich um ein Stück Filet.
»Patches«, beschloss sie schließlich. »Nicht sonderlich originell, ich weiß. Wahrscheinlich laufen Tausende von dreifarbigen Katzen mit diesem Namen herum, aber jede Wette, dass du auf dieser Insel die Einzige bist.«
Patches fraß ungerührt weiter.
Sarah ging wieder zum Fenster, um vielleicht erneut einen Blick auf ihren Nachbarn erhaschen zu können. Zu ihrer Überraschung hatte er mittlerweile eine Badehose angezogen und stand im
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