KGI: Dunkle Stunde (German Edition)
Gesicht von Wut verzerrt. Er schrie, und sie wich vor dem düsteren Gefühl zurück, das sie überkam.
»Rachel?«
Sie schaute ihm fest in die Augen und versuchte, ihren beschleunigten Atem in den Griff zu bekommen.
»Was ist los, Liebling?«
Sie schüttelte den Kopf, unfähig, ihm den Grund ihrer plötzlichen Unruhe mitzuteilen.
Lange Zeit betrachtete er sie einfach nur, sein Blick schien sie regelrecht zu liebkosen. Dankbar nahm sie seine Zuneigung an, suchte den Körperkontakt, das Gefühl der Sicherheit, das er ihr durch seine bloße Anwesenheit vermittelte. Zum ersten Mal seit einer halben Ewigkeit wurde sie nicht von Angst und Schmerz schier aufgefressen.
Wieder küsste er ihre Hände, presste die Knöchel an seine Lippen. Sie spürte, wie er zitterte.
»Ich muss dich einfach berühren«, sagte er. »Bei dir sein. Dich sehen. Dich fühlen.« Vor lauter Emotionen klang seine Stimme belegt, sie verriet Anspannung. »Ich hatte geglaubt, du wärest tot. Man hat mir gesagt, du seist tot. Ich habe dich begraben, um dich getrauert und versucht, ohne dich weiterzuleben. Und jetzt bist du hier. Das ist mehr, als ich mir je erhofft oder erträumt habe.«
Ihr stockte der Atem. Sie bekam einen Schluckauf. Ihr Inneres war in Aufruhr. Tränen brannten ihr wie Säure in den Augen.
»Ich habe auf dich gewartet«, wisperte sie. »Im Lauf der Zeit habe ich geglaubt, ich hätte mir dich nur eingebildet. Als ich alles vergessen hatte bis auf meinen Namen, dachte ich, ich hätte dich vielleicht nur erfunden. Aber eins wusste ich immer: Du würdest kommen.«
Er senkte den Kopf, bis seine Stirn die ihre berührte. »Ich liebe dich, Rachel. Ich liebe dich so sehr. Ich weiß, wir müssen noch viel durchstehen, aber du bist nicht mehr allein. Ich werde dich nie mehr alleinlassen.«
Sie schloss die Augen und ließ sein Versprechen auf sich wirken. Sie hatte Angst, nach so langer Zeit wirklich daran zu glauben, zu hoffen, dass der Albtraum endlich vorbei war.
»Es gibt vieles, an das ich mich nicht mehr erinnern kann«, sagte sie. Würde es ihn verärgern, dass sie nur noch Bruchstücke ihres gemeinsamen Lebens wusste? Schlimmer noch, sie wusste kaum noch, wer sie selbst eigentlich war.
Als würde er ihre inneren Aufruhr spüren, zog er sich zurück. Beunruhigt sah er sie an, fast reumütig. Verwirrt zog sie die Stirn in Falten. Weswegen sollte er sich schuldig fühlen?
»Es wird alles wieder gut, Kleines«, sagte er beschwichtigend. »Allmählich werden die Erinnerungen zurückkommen, und wir stellen uns ihnen gemeinsam. Wichtig ist jetzt nur, dass ich dich wiederhabe.«
»Was hat sie mir gegeben? Die Ärztin. Ich fühle mich … «
»Hast du Schmerzen? Soll ich sie holen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich fühle mich … « Sie suchte nach dem passenden Wort für ihren körperlichen Zustand. »Ruhig. Innerlich bin ich ganz ruhig. Meine Haut kribbelt nicht mehr, aber ich weiß, dass dieses Kribbeln nur darauf lauert, wieder zurückkehren zu können.«
Sanft berührte er ihr Gesicht, die Fingerspitzen glitten über ihre Wangenknochen zu den Lippen. »Wir werden es besiegen.«
Von Kummer überwältigt schloss sie die Augen. »Was haben sie mit mir gemacht? Warum?«
Ethans Hände hielten inne. »Ich weiß nicht warum.« Sie hörte die Wut aus seinen Worten heraus und blickte ihn an. »So etwas wird nicht noch einmal geschehen. Ich beschütze, was mir gehört.«
Ein seltsames Prickeln überlief ihren Rücken und ließ ein angenehmes Glühen zurück. Ihr wurde warm ums Herz, und ein Teil von ihr, den sie lange für tot gehalten hatte, erwachte zu neuem Leben. Sie gehörte zu diesem Mann. Er würde gut auf sie achtgeben.
»Erzähl mir von uns«, sagte sie leise.
Da lächelte er, der ernste, ruppige Ausdruck verschwand, und an seine Stelle trat ein jungenhafter Charme. Die Verwandlung war wunderschön anzuschauen.
»Seit drei Jahren sind wir verheiratet.«
Sie runzelte die Stirn. »Ach, das ist ja nicht lange.«
Seine Augen verloren etwas von dem Glanz. »Nein, nicht lange.«
Wenn sie sich sehr konzentrierte, konnte sie vage Erinnerungen heraufbeschwören, die jedoch zu einer anderen Person zu gehören schienen. Es war merkwürdig. Ihr zerfledderter Verstand war nicht imstande, alle Verbindungen zu verknüpfen.
»War Garrett mein Brautführer?«
Ethan nickte langsam.
»Das weiß ich noch. Er hat gesagt, ich sei die schönste Braut der Welt.«
»Das warst du auch.«
»Auch dich sehe ich vor mir, wie du auf
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